King of the World
Jungen zeigen und ihn wie ein Familienmitglied behandeln. Man muß mit ihm über das reden, worüber er redet. Ansonsten kriegt er den Mund nicht auf.«
Harrison versuchte, Liston zu beschäftigen, wenn er nicht gerade arbeitete oder im Boxraum war, damit er sich nicht herumtrieb. Sie hörten zusammen Radio, spielten Dame. Und immer mal wieder ging Harrison mit ihm zum
Globe-Democrat
auf ein Interview mit Burnes.
»Sag Mr. Bob, daß du ein braver Junge warst«, sagte Harrison Liston vor.
»Warst du ein braver Junge?« fragte Burnes.
»Ja, Mr. Bob.«
Monroe Harrison führte Liston durch acht Profikämpfe. Dann traf Sonny auf einen cleveren Boxer namens Marty Marshall, einen harten Handwerker, der Liston den Kiefer brach und ihn knapp nach Punkten schlug. Liston behauptete später, Marshall habe ihn mit offenem Mund erwischt – »ich hab da grade gelacht!« Aber wenigstens fürs erste waren Listons Aussichten trübe. Harrison seinerseits mußte sich überlegen, wie es weiterging. Seine Frau war schwer krank. Er war pleite. Liston war nun keine sichere Bank mehr – er war weit entfernt davon. Harrison blieb daher kaum eine andere Wahl, als seinen Anteil an der Zukunft Sonny Listons zu verkaufen. Frank Mitchell kaufte ihn für sechshundert Dollar heraus.
Ein paar Jahre später erschien auch Mitchell vor Kefauvers Anhörungen, wo er allerdings nicht so freimütig von seiner Vergangenheit erzählte wie Liston. Mit gutem Grund. Er war sechsundzwanzigmal verhaftet worden. Er stand in dem Ruf, ein Spieler zu sein und, was viel schlimmer war, ein Strohmann Vitales. Vitale selbst war achtundfünfzigmal verhaftet und dreimal verurteilt worden. Als Mitchell nach seinen Beziehungen zu Vitale gefragt wurde, sagte er, es sei alles nur Golfetikette gewesen, eine Zufallsbegegnung auf einem öffentlichen Golfplatz, ein heftiges Bedürfnis, höflich zu sein. »Sehen Sie, da spielte man zu zweit. Erst war da Vitale mit noch einem, dann kam ich mit noch einem. Ich konnte es mir nicht leisten, auf einem öffentlichen Golfplatz wählerisch zu sein, ich schon gar nicht.« Wohl wahr.
Die beiden wichtigsten Mobbereiche in St. Louis waren in der Hand von Syrern und Sizilianern. Die Sizilianer unterstanden John Vitale. Das Mobgeschäft im Mittleren Westenwurde von Chicago aus gesteuert – es war das Gebiet von Bernard Glickman und Glickmans Oberboß, Sam Giancana –, und Vitale sorgte immer dafür, daß Chicago seinen Tribut bekam. Nach außen hin war Vitale der Präsident der Anthony Novelty Company, einer Musikbox- und Flipperautomatenfirma, die er seinen Untergebenen überließ; er selbst tummelte sich im Baugewerbe und in der Welt der organisierten Arbeiter.
Über Frank Mitchell lernte Vitale schnell Liston kennen, und er verschaffte ihm auch einen Job im Union Electric-Werk in South County, wo er Schamottesteine auslud. Doch Liston wurde nicht sehr oft zum Steineausladen angefordert. Sein eigentlicher Tätigkeitsbereich lag anderswo. Zusammen mit einem 130 Kilo schweren Schläger namens Barney Baker oblag es Liston, dafür zu sorgen, daß die schwarzen Arbeiter spurten. Baker war New Yorker und hatte die Finger in diversen Gewerkschaften und Mafia-Organisationen, darunter in Meyer und Jake Lanskys Geschäften in Washington, D. C.
»Beim geringsten Anzeichen von Ärger schickten sie Sonny los, der einen dann mal böse ansah oder einfach ein Bein brach«, sagte Sam Eveland, Listons Freund aus dem Gefängnis. »Damals wurde aus solchen Sachen kein großes Geheimnis gemacht.« Liston war, in der damaligen Sprache der LKW -Fahrer, ein Kopfbrecher geworden. Später gab Liston zu, ja, viele seiner neuen Freunde seien im Gefängnis gewesen oder auf dem Weg dorthin. »Ich hatte gar nicht gewußt, daß es auch noch andere Leute gab«, sagte er. »Natürlich hatte ich von Negerärzten und Anwälten und erfolgreichen Geschäftsleuten gehört, aber wie sollte ich denn an die rankommen? Das waren gebildete, kultivierte Leute. Ich war aber nicht gebildet und hab auch gewußt, daß ich nicht kultiviert war.«
Beamte der Polizei von St. Louis, die bei den Kefauver-Anhörungen aussagten, interessierten sich weniger für die Soziologie der Situation als vielmehr für die Körperverletzungen. »Er verprügelte ein paar auf dem Land«, sagte Sergeant Joseph Moose. »Viele brauchte er nicht zu verprügeln – er brauchte sie einfach bloß anzustarren.«
Liston arbeitete gelegentlich auch für einen Partner Vitales, Raymond Sarkis. »Meistens
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