Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren
Risiko eingegangen war, und schon hatte ich zuviel investiert. Ich mußte einfach die Tür gefühlsmäßig zuschlagen und weitergehen, aber wohl war mir nicht dabei.
Als ich Santa Teresa erreichte, fuhr ich geradewegs zum Büro und nahm den Schwung Rechnungen aus Sharon Napiers Appartement mit nach oben. Zum erstenmal kam mir der Gedanke, daß sie von Bedeutung sein könnten. Ich ging sie mit einer distanzierten Neugier durch, die dennoch von einem Gefühl des Makabren begleitet wurde. Sie war tot, und es schien obszön, sich jetzt damit aufzuhalten, daß sie Wäsche gekauft hatte, die unbezahlt geblieben war, Kosmetika, Schuhe. Sie war mit ihren Rechnungen einen Monat im Rückstand, und mehrere kleine Firmen hatten angemahnt, ebenso wie ihr Steuerberater, ein Heilpraktiker und ein Schwimmverein wegen des Mitgliedsbeitrags. Visa und Mastercharge waren vergilbt, und American Express verlangte in aller Deutlichkeit ihre Karte zurück, aber ich interessierte mich mehr für ihre Telefonrechnung. Unter der Kennziffer des Bereichs, der Santa Teresa einschließt, waren im Monat März drei Anrufe verzeichnet; keine allzu große Zahl, aber bedeutsam. Zwei der Anrufe galten Charlie Scorsonis Büro — beide am selben Tag, mit einem Abstand von zehn Minuten. Die dritte Nummer, die sie angerufen hatte, erkannte ich nicht auf Anhieb, aber auch sie begann mit der Vorwahl von Santa Teresa. Ich sah in mein numerisches Verzeichnis. Es war die Nummer von John Powers’ Haus am Strand.
Ich wählte Ruth, ohne mir ein Zögern zu gestatten. Charlie hatte ihr sicher nicht erzählt, daß ich mit ihm Schluß gemacht hatte. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß er irgend jemandem seine Privatangelegenheiten anvertraute. Wenn er dort war, würde ich schnell schalten müssen, und ich war mir nicht sicher, was ich dann sagen sollte. Die Information, die ich brauchte, brauchte ich von ihr.
»Scorsoni und Powers«, flötete sie.
»Oh, hallo, Ruth. Hier ist Kinsey Millhone«, sagte ich, das Herz in der Kehle. »Ist Charlie da?«
»Oh, hallo, Kinsey. Nein, er ist nicht da«, sagte sie mit einer Spur von Bedauern um meinetwillen. »Die nächsten zwei Tage ist er in Santa Maria am Gericht.«
Gott sei Dank, dachte ich und holte tief Luft. »Gut, vielleicht können Sie mir an seiner Stelle helfen«, sagte ich. »Ich habe gerade die Rechnungen einer Klientin durchgesehen, und es scheint, daß sie mit ihm in Verbindung stand. Erinnern Sie sich vielleicht, ob ihn jemand vor etwa sechs, acht Wochen ein paarmal angerufen hat? Sie hieß Sharon Napier. Ferngespräche.«
»Ach, das ist die, die mal bei ihm angestellt war. Ja, daran entsinne ich mich. Was müssen Sie wissen?«
»Also, hieraus geht nicht genau hervor, ob sie ihn wirklich erreicht hat oder nicht. Anscheinend hat sie ihn an einem Freitag angerufen — den 2.1. März. Kommt Ihnen das bekannt vor?«
»O ja. Absolut«, sagte Ruth, tüchtig wie immer. »Sie verlangte ihn zu sprechen, und er war draußen in Mr. Powers’ Haus. Sie bestand darauf, die Nummer zu erfahren, aber ich fand, ohne sein Einverständnis sollte ich sie nicht weitergeben. Darum bat ich sie, noch mal anzurufen, und erkundigte mich bei ihm, und er war einverstanden. Ich hoffe, das geht in Ordnung. Die hat Sie hoffentlich nicht engagiert, damit Sie ihn belästigen oder so was.«
Ich lachte. »Lieber Himmel, Ruth, würde ich ihm das denn antun? Ich sah die Nummer von John Powers, und dachte halt, sie hätte statt dessen vielleicht mit ihm gesprochen.«
»O nein. Der war an dem Wochenende unterwegs. Er ist meistens um den 21. für ein paar Tage weg. Es steht auch hier auf meinem Kalender. Mr. Scorsoni versorgte die Hunde.«
»Ach so, das würde es erklären«, sagte ich beiläufig. »Gott, damit ist mir schon sehr geholfen. Das einzige, was ich jetzt noch überprüfen müßte, wäre diese Reise nach Tucson.«
»Tucson?« sagte sie. Zweifel begannen sich in ihre Stimme einzuschleichen; der beschützerische Tonfall, den Sekretärinnen manchmal annehmen, wenn ihnen plötzlich der Gedanke kommt, daß jemand etwas haben möchte, was er nicht haben soll. »Worum handelt sich’s denn, Kinsey? Vielleicht könnte ich Ihnen eher helfen, wenn ich wüßte, was das mit einer Klientin von Ihnen zu tun hat. Mr. Scorsoni ist ziemlich genau in solchen Sachen.«
»Ach so, das ist was anderes. Ich kann mich selber darum kümmern, lassen Sie nur. Ich werde Charlie eben anrufen, wenn er wiederkommt, und ihn fragen.«
»Nun, ich kann Ihnen
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