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Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Titel: Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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schwarzer, hochhackiger Schuhe, die ich mir mal in der Absicht gekauft hatte, mich in einem schäbigen Teil von Los Angeles als Nutte auszugeben. Als ich hinkam, machte ich natürlich die Entdeckung, daß die Huren alle wie Collegeschülerinnen aussahen, also verzichtete ich auf die Verkleidung.
    Ich warf die Sandalen, die ich trug, auf den Rücksitz und strampelte mich aus der Hose. Dann schlüpfte ich in die Strumpfhose, polierte die Pumps kurz mit Spucke und sprang hinein. Ich nahm den Gürtel von der Tunika und schlang ihn mir mit einem exotischen Knoten um den Hals. Auf dem Grund meiner Handtasche fand ich einen Eyeliner und etwas Rouge und veranstaltete damit eine Schnellrenovierung, zu der ich den Rückspiegel herabdrehte, damit ich mich sehen konnte. Meiner Ansicht nach sah ich ulkig aus, aber woher sollten die das wissen? Außer Bobby hatte mich keiner von denen jemals vorher gesehen. Hoffte ich.
    Ich stieg aus dem Wagen und stützte mich ab. Ich hatte keine so hohen Absätze mehr getragen, seit ich mit den ausrangierten Sachen meiner Tante Verkleiden gespielt hatte, als ich in die erste Klasse ging. Ohne Gürtel reichte die Tunika bis zur Mitte der Oberschenkel, der federleichte Stoff haftete auf meinen Hüften. Wenn ich vor eine Lichtquelle geriet, würde man meinen Bikinislip sehen. Na und? Wenn ich es mir schon nicht leisten konnte, mich gut zu kleiden, konnte ich zumindest davon ablenken. Ich atmete tief durch und stelzte Richtung Tür.

3

    Ich läutete und hörte das Geräusch durch das Haus hallen. Nach einer angemessenen Zeit wurde die Tür von einem schwarzen Dienstmädchen geöffnet, das eine weiße Uniform wie eine Krankenschwester trug. Am liebsten wäre ich ihr in die Arme gesunken, um mich zum Krankenhaus schleppen zu lassen, so sehr schmerzten mir die Füße. Statt dessen nannte ich meinen Namen und murmelte, Bobby Callahan erwarte mich.
    »Ja, Miss Millhone. Wollen Sie nicht nähertreten, bitte?«
    Sie trat zur Seite, und ich ging in die Halle. Die Wand am Eingang war zwei Stockwerke hoch, und Licht drang durch eine Reihe von Fenstern herein, die der Linienführung der breiten Steintreppe folgte, welche sich zur Linken hinaufwand. Die hellroten Bodenfliesen waren zu einem seidigen Schimmern poliert. Perserteppiche hingen von dekorativen schmiedeeisernen Stäben herab, die wie antike Waffen aussahen. Die Raumtemperatur war perfekt, kühl und ruhig, von einem riesigen Blumenarrangement parfümiert, das auf einem schweren Beistelltisch zu meiner Rechten stand. Ich kam mir vor wie in einem Museum.
    Das Mädchen führte mich den Gang hinab in ein derart großes Wohnzimmer, daß die Gruppe von Menschen auf der gegenüberliegenden Seite in einem kleineren Maßstab gebaut zu sein schien als ich. Der offene Kamin muß drei Meter breit und gut vier Meter hoch gewesen sein, und er hatte eine Öffnung, die groß genug war, um einen Ochsen zu grillen. Die Möbel wirkten bequem; nichts war affektiert oder klein. Die Sofas, vier Stück, wirkten wuchtig, und die Sessel waren groß und dick gepolstert. Mit ihren breiten Lehnen erinnerten sie mich irgendwie an die Flugzeugsessel in der Ersten Klasse. Es gab keine bestimmte Farbskala, und ich fragte mich, ob nur die Mittelschicht hingeht und jemanden damit beauftragt, alles passend zusammenzustellen.
    Ich erspähte Bobby, der glücklicherweise gleich in meine Richtung gehumpelt kam. Offenbar hatte er an meinem Gesichtsausdruck abgelesen, daß ich auf diesen ganzen Pomp nicht vorbereitet gewesen war.
    »Ich hätte dich warnen sollen. Tut mir leid«, begann er. »Ich besorge dir was zu trinken. Was möchtest du haben? Wir haben Weißwein, aber wenn ich dir sage, was für einen, hältst du uns sicher für Angeber.«
    »Wein ist genau das Richtige«, erwiderte ich. »Ich bin ganz verrückt auf die Angebersorte.«
    Ein anderes Mädchen, nicht das, das an der Tür gewesen war, sondern eines, das speziell für den Service ausgebildet war, ahnte Bobbys Wünsche und näherte sich mit vollen Weingläsern. Ich hoffte inniglich, daß ich mich nicht blamieren würde, indem ich mir mein Getränk über das Kleid kippte oder mich mit dem Absatz im Teppich verfing. Er reichte mir ein Glas Wein, und ich nahm einen Schluck.
    »Bist du in diesem Haus aufgewachsen?« fragte ich. Es war schwierig, sich Legosteine, Kasperlepuppen und Spielzeugautos in einem Raum vorzustellen, der wie ein Kirchenschiff aussah. Plötzlich nahm ich wahr, was in meinem Mund vor sich ging. Dieser Wein

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