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Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Titel: Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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werden.
    Die Adresse, die Bobby mir gegeben hatte, lautete West Glen, eine schmale Straße, von Eukalyptusbäumen und Platanen beschattet, gesäumt von niedrigen, handbehauenen Steinen, die sich zu weit zurückliegenden, von vorbeifahrenden Motoristen nicht einsehbaren Villen schlängelten. Hin und wieder wies ein Pförtnerhaus auf die Prunkhütten im Hintergrund hin. Aber zumeist schien sich West Glen durch immergrüne Eichenhaine zu ziehen und aus nichts als gesprenkeltem Sonnenschein, dem Geruch französischen Lavendels und brummenden Honigbienen in den knallrosa Geranien zu bestehen. Es war jetzt sechs Uhr, und in den nächsten zwei Stunden würde es nicht dunkel werden.
    Ich erspähte die gesuchte Hausnummer und bog langsam in die Einfahrt ein. Zu meiner Rechten standen weißverputzte Häuschen, die von den drei kleinen Schweinchen hätten gebaut sein können. Ich starrte durch die Windschutzscheibe, konnte aber keinen Parkplatz sehen. Ich rollte weiter, in der Hoffnung, irgendwo hinter der vor mir liegenden Kurve könnte eine Parkmöglichkeit sein. Über die Schulter hinweg schaute ich zurück. Ich fragte mich, warum keine anderen Autos zu sehen waren, und überlegte, welcher der kleinen Bungalows wohl Bobbys Familie gehören konnte. Einen Moment lang fühlte ich mich unbehaglich. Er hatte doch heute nachmittag gesagt, oder? Ich konnte mir nur zu gut vorstellen, daß ich am falschen Tag kam. Ich zuckte die Achseln. Nun gut. Ich habe schon schlimmere Peinlichkeiten in meinem Leben erlitten, obwohl mir im Moment keine einfallen wollte. Ich bog um die Kurve und suchte nach einer Stelle zum Anhalten. Unwillkürlich stieg ich voll auf die Bremsen, und der Wagen schlitterte zum Stillstand. »Ach du liebe Scheiße!« flüsterte ich.
    Der Weg hatte sich zu einem großen gepflasterten Hof verbreitert. Genau gegenüber sah ich ein Haus. Irgendwie wußte ich in meinem Innern, daß Bobby Callahan hier wohnte und nicht in einem dieser gemütlichen kleinen Nester vorn. Das waren wahrscheinlich Angestelltenwohnungen, Hier stand das richtige Haus.
    Das Gebäude war so groß wie die Schule, die ich besucht hatte, und wahrscheinlich vom selben Architekten entworfen worden. Das war ein Mann namens Dwight Costigan, der nicht mehr lebte, aber in den über vierzig Jahren seines Schaffens ganz Santa Teresa auf eigene Faust wiederbelebt hatte. Der Stil heißt, wenn ich mich nicht irre, Neuspanisch. Zugegeben, ich spotte gern über weißverputzte Mauern und rote Ziegeldächer. Ich verachte Rundbögen und Hortensien, und Balken und Balkone quälen mich, aber ich hatte sie noch nie in einer solchen Zusammenstellung gesehen.
    Der Mittelteil des Hauses war zwei Stockwerke hoch und von zwei gedeckten Säulengängen flankiert. Bogen auf Bogen auf Bogen, getragen von graziösen Säulen. Es gab Gruppen zarter Palmen, mit Skulpturen geschmückte Portale, gotische Fenster mit Sprossen. Sie hatten sogar einen Glockenturm wie bei einer alten Missionskirche. War Kim Novak nicht aus etwas Ähnlichem verstoßen worden? Der Ort sah aus wie eine Mischung aus Kloster und Filmkulisse. Im Hof parkten vier Mercedes wie für eine Hochglanzreklame, und aus dem Springbrunnen in der Mitte schoß ein fünf Meter hoher Wasserstrahl.
    So weit rechts wie möglich hielt ich an. Dann sah ich an mir herunter. Die Hose hatte, wie ich jetzt bemerkte, einen Flecken auf einem Knie, den ich nur verbergen konnte, wenn ich mich ständig geduckt hielt, so daß die Tunika weit genug hinunterhing. Die Tunika selbst war gar nicht so schlecht: schwarzer, hauchdünner Stoff mit einem tiefen, eckigen Ausschnitt, langen Ärmeln und einem passenden Stoffgürtel. Einen Moment lang zog ich in Erwägung, noch mal nach Hause zu fahren, um mich umzuziehen. Dann wurde mir klar, daß ich zu Hause auch nichts hatte, das besser als das hier aussah. Ich drehte mich zum Rücksitz um und wühlte die unglaubliche Krimskrams-Kollektion durch, die ich dort aufbewahre. Ich fahre einen VW, eine dieser nichtssagenden beigen Limousinen, die sich in den meisten Gegenden prima für Observierungsarbeiten eignen. Hier allerdings hätte ich mir besser einen Straßenkreuzer gemietet. Wahrscheinlich fuhren die Gärtner Volvos.
    Ich schob die Gesetzestexte, die Karteikästen, das Werkzeug und die Aktentasche, in der ich meine Waffe unter Verschluß hielt, zur Seite. Ah, genau danach hatte ich gesucht: eine alte Nylonstrumpfhose, im Notfall gut als Filter zu gebrauchen. Auf dem Boden fand ich noch ein Paar

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