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Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Titel: Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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warum ich immer noch so gewissenhaft mein Fitness-Training mache. Paranoia vielleicht... die Erinnerung an Zeiten, als ich um mein Leben laufen musste.
    Auf dem Radweg angelangt, fiel ich in einen schwerfälligen Trab. Meine Beine fühlten sich hölzern an, und mein Atem ging stoßweise. Die erste Meile ist immer schlimm, alles weitere dann vergleichsweise ein Kinderspiel. Ich schaltete mein Denken ab und öffnete mich meiner Umgebung. Zu meiner Rechten war das anlandende Meer, ein gedämpftes Grollen, so beruhigend wie das Rauschen von Regen. Möwen segelten kreischend über der Brandung. Der Pazifik war wie flüssiger Stahl, die Wellen eine schaumige Masse aus Aluminium und Chrom. Der Sand wurde dort, wo das Wasser wieder abfloss, zum Spiegel und reflektierte den weichen Morgenhimmel. Der Horizont färbte sich lachsrosa von der Sonne, die jetzt langsam hervorkroch. Lange korallenrote Lichtarme reckten sich über der Scheidelinie zwischen Himmel und Wasser, wo sich die ersten Wolken der angekündigten Sturmfront zusammenballten. Die Luft war kalt und gischtig und roch nach Seetang. Nach ein paar Minuten wurden meine Schritte länger, und ich fühlte, wie ein automatischer Rhythmus all meine Bewegungen zu koordinieren begann. Ich wusste nicht, dass dies für Wochen das letzte Mal sein sollte, dass ich zum Laufen kam. Hätte ich es gewusst, hätte ich es wohl noch viel mehr genossen.

3

    Irgendwie ahnte ich — schon ehe ich diesen Menschen das erste Mal zu Gesicht bekam — , dass das Verhältnis zwischen Gordon Titus und mir für keinen von uns beiden ein Quell der Freude und der Ermunterung sein würde. Da er das Treffen initiiert hatte, schienen mir meine Alternativen klar. Ich konnte mich vom Büro fern halten und so unsere erste Begegnung noch hinauszögern, oder aber ich konnte mich fügen und es hinter mich bringen. Auf den ersten Blick schien das letztere klüger. Vielleicht war das Ganze ja nur eine Formalität. Ich wollte nicht, dass er meine mangelnde Begeisterung in die falsche Kehle kriegte. Besser, ich gab mich kooperativ. Wie meine Tante zu sagen pflegte: »Sei immer auf der Seite, wo der Segen herkommt.« Erst als sie schon tot war, fing ich an, mich zu fragen, was das heißen sollte.
    Als ich um neun ins Büro kam, wählte ich die Nummer von Darcy Pascoe, der Empfangssekretärin der California Fidelity gleich nebenan. »Hi, Darcy. Hier ist Kinsey. Ich habe gehört, Gordon Titus will mich sprechen. Nach dem, was Vera sagt, ist er ja ein ganz schöner Arsch.«
    »Guten Morgen, Miss Millhone. Nett, dass Sie sich melden«, flötete sie.
    »Wie reden Sie denn? Steht er direkt neben Ihnen?«
    »Ja, ganz recht.«
    »Oh, ach so. Würden Sie ihn bitte fragen, wann ich rüberkommen soll? Ich hätte jetzt gerade ein paar Minuten, falls es ihm passt.«
    »Einen Augenblick, bitte.«
    Sie legte mich so lange auf die Warteleitung, wie es dauerte, meine Anfrage zu übermitteln und ihm eine Antwort zu entlocken. Dann klickte es, und sie war wieder dran. »Jetzt gleich wäre sehr recht.«
    »Ich kann es kaum erwarten.«
    Ich legte auf. Das kriege ich schon hin, dachte ich. Jeder muss damit klarkommen, an irgendwelchen Punkten der Macht anderer Leute ausgeliefert zu sein. Also muss man eben hin und wieder jemandem in den Arsch kriechen. Was soll’s? Entweder man arrangiert sich rechtzeitig damit, oder man endet als verschrobener Querulant und Außenseiter. Auf dem Weg zur Tür blieb ich einen Moment vor dem Wandspiegel stehen, um meine Erscheinung zu inspizieren. Ich fand mich ganz passabel. Jeans, Rollkragenpullover, keinen Dreck im Gesicht, nichts Grünes zwischen den Zähnen. Make-up trage ich nicht, also brauche ich mir nie Gedanken zu machen, ob irgendwas verklebt oder verschmiert ist. Die Haare hatte ich mir immer selbst geschnitten, aber seit einiger Zeit ließ ich sie wachsen, sodass sie jetzt schulterlang waren und nur ein ganz klein wenig ungleich. Ich brauchte nur den Kopf ein bisschen schiefzulegen, dann egalisierte sich das.
    Mit solchermaßen eingezogenem Kopf betrat ich den Glaskasten, den Gordon Titus offensichtlich für seine kleinen Kennenlern-Partys mit den Beschäftigten benutzte. Veras Büro lag gleich daneben, und ich konnte sie an ihrem Schreibtisch sitzen und zu mir herüberschielen sehen. Sie trug ein gedecktes graues Kostüm mit einer schlichten weißen Bluse und das Haar zu einem Knoten zurückgezurrt. Mr. Titus erhob sich, um mich zu begrüßen, und wir schüttelten uns über den

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