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Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Titel: Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Schreibtisch hinweg die Hände. »Miss Millhone.«
    »Guten Tag. Freut mich, Sie kennen zu lernen«, sagte ich.
    Sein Händedruck war angemessen männlich-kernig, aber nicht zu fest und gerade lang genug, um aufrichtig gemeint zu wirken. Ich muss sagen, auf den ersten Blick war ich angenehm überrascht. Ich hatte ihn mir grau und vertrocknet, steif und korrekt vorgestellt. Er war jünger, als ich erwartet hatte, höchstens zweiundvierzig. Er hatte ein glattes, gutrasiertes Gesicht, blaue Augen und modisch geschnittenes, frühzeitig ergrautes Haar. Er trug keinen Anzug, sondern Gabardinehosen und ein blaues Izod-Hemd. Er schien von mir weniger angetan. Ich merkte an seinem Blick, dass meine Berufskleidung ihn etwas schockierte. Aber es gelang ihm ganz gut, es zu verbergen. Vielleicht dachte er ja, ich sei früher gekommen, um vor der Arbeit der Putzfrau mit den Böden zu helfen.
    »Nehmen Sie Platz«, sagte er. Kein Lächeln, keine Höflichkeitsfloskeln, kein Small Talk.
    Ich setzte mich.
    Er auch. »Wir haben uns die Berichte angesehen, die Sie in den letzten sechs Monaten vorgelegt haben. Ordentliche Arbeit«, sagte er. Ich fühlte förmlich das »aber« über uns in der Luft schweben. Sein Blick wanderte über das beschriebene Blatt, das er vor sich liegen hatte. Er blätterte rasch einen Stapel Zettel durch, der an den vorderen Deckel eines Aktenordners geheftet war. Offenbar wollte er mir signalisieren, dass er Unterlagen über mich hatte und alles wusste, bis zurück zu dem Tag, als ich das erste Mal in der Grundschule hatte kotzen müssen. Er hatte einen gelben Notizblock vor sich, auf dem er mit dem Füllfederhalter weitere Notizen machte. Seine Schrift war präzise, die Buchstaben eckig mit Betonung der Unterlängen. Hier und dort hatte die Feder das Papier aufgerissen. Ich konnte mir vorstellen, wie seine Gedanken vorneweg eilten, während seine Hand hinterherhinkte und unansehnliche Löcher bohrte. Er hatte nicht vergessen, wie man sich ordentlich Stichpunkte notierte. Die Hauptpunkte waren römisch beziffert, die Unterpunkte säuberlich eingerückt. Wahrscheinlich arbeitete sein Gehirn genauso, die großen Kategorien vornean, die untergeordneten Dinge sorgfältig versetzt darunter. Er klappte den Ordner zu und legte ihn beiseite. Er wandte mir nunmehr seine volle Aufmerksamkeit zu.
    Ich dachte, es sei jetzt wohl an der Zeit, zur Sache zu kommen und die Prozedur abzukürzen. »Ich weiß nicht, ob Sie darüber informiert sind, aber ich gehöre nicht direkt zur Belegschaft«, sagte ich. »Ich bin als freie Mitarbeiterin für die Firma tätig.«
    Sein Lächeln war nicht sonderlich herzlich. »Das ist mir bewusst. Aber es gibt da dennoch ein paar kleine Dinge, die wir im betrieblichen Zusammenhang klären müssen. Ich denke, Sie werden verstehen, dass wir uns bei einer Überprüfung wie dieser ein Gesamtbild verschaffen müssen.«
    »Natürlich.«
    Er studierte das erste und zweite Blatt seines Notizblocks.
    Ich sah verstohlen auf meine Uhr, indem ich vorgab, das Band zu justieren.
    Ohne aufzuschauen, sagte er: »Haben Sie noch mehr leidige Termine?«
    »Ich habe eine Schadensanzeige, die ich überprüfen muss. Ich sollte draußen sein und der Sache nachgehen.«
    Er sah mich an. Sein Körper war absolut reglos. Seine blauen Augen bohrten sich ohne das kleinste Wimpernzucken in meine. Er sah gut aus, aber so maskenhaft, so ausdruckslos, dass ich mich fragte, ob er vielleicht einen Schlaganfall gehabt hatte oder einen Unfall, bei dem alle seine Gesichtsmuskeln durchtrennt worden waren.
    Ich bemühte mich, ihm eine ebenso unbewegte Miene darzubieten. Ich bin selbst jemand, der nicht gern lange um den heißen Brei herumschleicht. Ich will es wissen.
    Er nahm seinen Füller wieder in die Hand und wandte sich Punkt eins, Zeile eins, seiner Liste zu. »Mir ist nicht klar, wem Sie eigentlich unterstellt sind. Vielleicht können Sie mir das erläutern.«
    Ach, herrje. »Das wechselt«, sagte ich freundlich. »Rechenschaftspflichtig bin ich Mac Voorhies, aber die Fälle werden mir gewöhnlich von den jeweiligen Schadensschätzern übergeben.« Sobald ich den Mund aufmachte, begann er zu schreiben. Ich bin (in aller Bescheidenheit) ziemlich gut darin, Geschriebenes auf dem Kopf zu lesen, aber er benutzte seine eigenen Kürzel. Ich hielt inne. Er hörte auf zu schreiben. Ich schwieg.
    Er sah mich wieder an. »Pardon. Das habe ich nicht ganz verstanden. Können Sie mir das Prozedere erläutern? Aus der Akte wird es nicht

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