Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist
Salzkrümel und bildeten Muster, denen die Griechen schon vor vielen Jahrhunderten Namen gegeben hatten. Ich erkannte den Großen und manchmal sogar den Kleinen Bären, hatte jedoch noch nie etwas gesehen, das auch nur entfernte Ähnlichkeit mit einem Bären, einem Löwen oder einem Krebs gehabt hätte. Vielleicht haben die Kerle damals Hasch geraucht, in der Nähe des Parthenon auf dem Rücken gelegen, sich gegenseitig die Sterne gezeigt und die ganze Nacht nur herumgeblödelt. Dass ich eingeschlafen war, merkte ich erst, als der Wecker mich in die Wirklichkeit zurückkatapultierte...
Ich konzentrierte mich auf die Straße und warf hin und wieder einen Blick auf die Straßenkarte, die ich auf dem Beifahrersitz ausgebreitet hatte. Das Joshua Tree National Monument und der Anza-Borrego Desert State Park waren als dunkelgrüne Kleckse eingezeichnet und sahen aus wie Teile eines riesigen Puzzles. Die Staatsforste waren in hellerem Grün, die Mojave-Wüste hellbeige und die Bergzüge mit ganz blassen Pinselstrichen angedeutet. Ein großer Teil der Wüste würde nie kultiviert werden, und das stimmte mich irgendwie fröhlich. Obwohl ich kein großer Naturfreak bin, amüsiert mich ihre Widersetzlichkeit ungemein.
Bei der Ausfahrt San Bernardino/Riverside schwingen sich die Bahnen des Autobahnkreuzes nach oben wie eine Zukunftsvision aus einem Lehrbuch der fünfziger Jahre. Jenseits der Straße gibt es zu beiden Seiten außer Telefonleitungen nichts zu sehen. Canons von der Farbe braunen Zuckers und Drahtzäune mit vom Wind angewehten Ballen verdorrten Unkrauts. In der Ferne lag es wie gelber Dunst über der Ebene — das Büffelgras blühte wieder.
In der Nähe von Cabazon hielt ich auf einem Rastplatz, um mir die Beine zu vertreten. Auf einem Rasenstück im Schatten von Weiden und Pappeln standen acht bis zehn Picknicktische. Die Toiletten befanden sich in einem Spitzdachgebäude aus Schlackenstein. Ich nutzte die Gelegenheit und trocknete mir die Hände an der Luft, da die Papierhandtücher ausgegangen waren. Inzwischen war es zehn Uhr geworden, und ich hatte Hunger, also holte ich meine Kühltasche heraus und stellte sie etwa zehn Meter vom Parkplatz entfernt auf einen Tisch. Der große Vorteil des Singledaseins ist, dass man nur nach seinen eigenen Regeln lebt. Dinner um Mitternacht? Warum nicht, es geht ja nur um einen selbst. Lunch um zehn Uhr vormittags? Aber klar doch, du bist dein eigener Boss. Man kann essen, wann man will, und die Mahlzeit nennen, wie es einem Spaß macht. Ich saß mit dem Gesicht zur Straße, kaute mein Sandwich und beobachtete die Wagen, die ankamen und abfuhren.
Ein etwa fünfjähriges Kind spielte auf dem Gehweg mit Matchbox-Lastern, während sein Vater auf einer Bank schlief. Pop hatte sich ein Exemplar der Zeitschrift Sports lllustrated aufgeschlagen übers Gesicht gebreitet. Sein ärmelloses T-Shirt ließ seine mächtigen Arme frei. Die Luft war mild und warm, der Himmel ein endloses Blau.
Als ich weiterfuhr, kam ich an den Windfarmen vorbei, einem Gelände, das sich über viele Morgen erstreckt; darauf stehen in Reih und Glied Turbinen, die wie Windräder aussehen und der Erzeugung von elektrischem Strom dienen. Heute gab es nur leichte Böen. Ich konnte den Wind beobachten, der launisch im Zickzack um die Turbinen wehte, sichtbar im sprunghaften Wirbeln der schlanken Flügel, die den Propellern von Ultraleicht-Flugzeugen so ähnlich waren. Vielleicht werden diese seltsamen Totems noch da sein, wenn die Menschheit längst dahin ist, werden sich munter der Elemente bedienen und Wind in Energie verwandeln, die uralte Maschinen antreibt.
Kommt man in die Nähe von Palm Springs, beginnt sich der Charakter der Straße wieder zu verändern. Reklametafeln werben für Schnellimbissrestaurants und Benzin. Country Clubs werden als »gepflegte Freizeitparks für aktive Erwachsene« angepriesen. Hinter dem flachen Hügelland ragen die Berge auf, verkarstet bis auf die von der Sonne gebleichten Felsblöcke. Ich kam an einem Wohnwagenpark mit dem klingenden Namen »Vista del Mar Estates« vorbei, aber weit und breit war kein mar zu sehen.
Ich nahm den Highway in nach Süden und passierte die Städte Coachella, Thermal und Mecca. Rechts kam der Salton Sea in Sicht, der einundsiebzig Meter unter dem Meeresspiegel liegt. Dann über weite Strecken nichts als die zweispurige Asphaltstraße mit pulveriger, lockerer Erde zu beiden Seiten; in der aufsteigenden Hitze der Wüste glich sie einer grau
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