Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist
schimmernden Wasserfläche. Von Zeit zu Zeit kam ich an einem Zitrushain vorüber, einer schattigen Oase in einem Tal, das sonst völlig der unbarmherzigen Sonne ausgeliefert ist.
Ich fuhr durch Calipatria. Später hörte ich Einheimische über einen Ort reden, der, wie ich glaubte, Cow-pat hieß; nach einiger Zeit erst wurde mir klar, dass das eine Kurzform von Calipatria war. Das einzige Wahrzeichen dort ist ein Gebäude im Zentrum mit einer Säule aus Ziegelsteinen, die aussieht, als sei sie von Ratten angenagt worden. Es sind jedoch Erdbebenschäden, die nie repariert wurden, vielleicht, um die Götter friedlich zu stimmen.
Eine Autoviertelstunde südlich von Calipatria liegt Brawley. Am Stadtrand entdeckte ich ein Motel mit dem Schild zimmer frei. Das »Vagabond« war ein einstöckiger u-förmiger Bau mit vielleicht vierzig Zimmern, die um einen asphaltierten Parkplatz herumgebaut worden waren. Ich mietete ein Einbettzimmer und bekam Nr. 20 am Ende des Gehwegs. Ich parkte den Wagen auf dem Stellplatz vor der Tür und lud meine Segeltuchtasche, die Schreibmaschine und die Kühltasche aus.
Das Zimmer war sauber, roch aber leicht nach »Eau de Floh«. Auf dem Fußboden ein Nylonteppich, hell- und dunkelgrün und so hochflorig, dass man ihn hätte mähen können. Tagesdecke und Übergardinen hatten ein grün-goldenes Blumenmuster — blühende Ranken, die an parallel verlaufenden Spalieren hochkletterten. Das Bild über dem Bett stellte einen Elch dar, der knietief in einem See stand. Die Berge auf dem Bild waren von dem gleichen Grün wie der Teppich — ein kleiner Wink für Ästheten. Ich rief Henry an und sagte ihm, wo ich war. Dann verstaute ich meine Habe, weihte die Toilette ein und fuhr wieder los, diesmal nach Norden bis in das kleine Dorf Niland.
Ich fuhr rechts heran und hielt da, wo der Bordstein gewesen wäre, wenn es einen Gehsteig gegeben hätte. Ich fragte einen ledergesichtigen Rancher im Overall nach dem Weg zu den Slabs. Er zeigte wortlos in eine Richtung. Ich bog an der nächsten Ecke ab und fuhr weitere anderthalb Meilen durch eine flache Landschaft, die nur von Telefon- und Hochleitungsmasten unterbrochen wurde. Hin und wieder überquerte ich einen Bewässerungskanal mit braunem Gras an den Uferrändern. Rechts sah ich in der Ferne einen Erdhügel, von einem felsigen Auswuchs gekrönt, der mit religiösen Sprüchen bemalt war. Gott ist die Liebe und Bereue stand da in riesigen Lettern; den Text darunter konnte ich nicht lesen. Wahrscheinlich ein Bibelzitat. In der Nähe parkte ein vergammelter Laster mit einem Holzverschlag auf der Ladefläche, der ebenfalls mit irgendwelchen fundamentalistischen Ermahnungen bepinselt war.
Ich fuhr an etwas vorbei, das früher, als es hier noch den Militärstützpunkt gab, das Wachhaus gewesen sein musste. Jetzt standen nur noch die Außenmauern aus Beton, neunzig mal neunzig im Geviert und nur ein bisschen größer als eine Telefonzelle. Ich fuhr auf das Gelände des ehemaligen Stützpunkts. Ein paar Hundert Meter weiter unten an der Straße entdeckte ich ein zweites Wachhaus, das himmelblau gestrichen war. Die Vorderfront war mit immergrünen Pflanzen bemalt, wobei an der Dachkante mit schwarzen Buchstaben Willkommen stand und darunter, auf weißem Grund im Bogen angeordnet, in Slab City, verziert mit in alle Richtungen davonflatternden weißen Tauben. Noch zweimal entdeckte ich den Spruch Gott ist die Liebe; die Malereien stammten wahrscheinlich aus den Sechzigern, als die Hippies hier durchgekommen waren. In der Wüste geht nichts zu Grunde, außer den Wildtieren und den wild wachsenden Pflanzen natürlich. Die Luft ist so trocken, dass es keine Fäulnis zu geben scheint, und die Hitze, die fast das ganze Jahr herrscht, konserviert mehr als sie vernichtet. Ich war an verlassenen Holzhütten vorbeigekommen, die wahrscheinlich seit sechzig Jahren leer standen.
Jetzt sah ich auf einer endlosen Fläche aus Kies und Erde mehrere Wohnmobile, ein paar Autos, viele mit weit offenen Türen, damit die Hitze sich nicht stauen konnte; Wohnanhänger, Zelte und Kleinlaster mit Campingaufsatz standen in einer locker zusammengewürfelten Nachbarschaft kreuz und quer durcheinander. Die breiten Straßen waren durch Kreosotklumpen und Büschel von Büffelgras markiert. Nur eine Straße hatte eine Bezeichnung; 1 8 th Street stand auf dem Schild, das an einem Stein lehnte.
An der Hauptstraße wurde einer der längsten Flohmärkte der Welt abgehalten. Auf den
Weitere Kostenlose Bücher