Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser
dann sah ich den in ein Handtuch vermummten Hund, den sie unter den Arm geklemmt hielt. Es war eines dieser kleinen schwarz-braunen Hündchen, die ungefähr die Größe eines Brotlaibs haben. Schnucki, Putzi, Püppchen.
»Guten Abend«, sagte ich. »Ich hoffte, Sie könnten mir vielleicht eine Auskunft über das Haus nebenan geben, das zu verkaufen ist. Mir ist die Rampe vor der Tür aufgefallen. Wissen Sie zufällig, ob das Haus für eine behinderte Person eingerichtet ist?«
»Ja.«
Ich hatte mir eigentlich mehr Details erhofft. »Innen auch?«
»O ja. Ihr Mann erlitt vor ungefähr zehn Jahren einen schweren Schlaganfall — einen Monat bevor sie mit dem Bau des Hauses anfingen. Sie ließ daraufhin die Pläne radikal ändern und sogar einen Lift zum ersten Stock einbauen.«
»So ein Zufall«, murmelte ich. »Meine Schwester ist nämlich behindert, wissen Sie, und wir suchen schon Ewigkeiten nach einem Haus, in dem sie sich mit ihrem Rollstuhl einigermaßen frei bewegen kann.« Da ich das Gesicht der Frau nicht sehen konnte, richtete ich das Wort unwillkürlich an den Hund, der mir auch recht aufmerksam zuhörte.
Die Frau sagte: »Ach, wirklich? Was fehlt ihr denn?«
»Sie hatte vor zwei Jahren einen Unfall beim Tauchen und ist seither querschnittgelähmt.«
»Wie schrecklich«, sagte die Frau mit jener Art gespielter Anteilnahme, die man der Geschichte einer fremden Person entgegenzubringen pflegt. Ich hätte schwören können, daß ihr Fragen durch den Kopf schwirrten, die zu stellen sie zu höflich war.
Tatsächlich fing ich schon selbst an, mich richtig elend zu fühlen wegen meiner Schwester, auch wenn sie so eine tapfere Person war. »Sie trägt es eigentlich sehr gut. Und heute sind wir den ganzen Tag herumgefahren und haben hier in der Gegend nach Häusern geschaut. Wir tun das seit Wochen, aber das Haus hier ist das erste, das sie interessiert hat, darum bin ich noch mal hergekommen, um mich genauer zu erkundigen. Wissen Sie vielleicht, wieviel das Haus kosten soll?«
»Vier fünfundneunzig, habe ich gehört.«
»Ach, das ist gar nicht so übel. Ich glaube, ich werde unseren Immobilienmakler bitten, einen Termin zu vereinbaren, damit wir es uns einmal ansehen können. Ist die Eigentümerin tagsüber hier zu erreichen?«
»Das ist schwer zu sagen. In letzter Zeit war sie viel auf Reisen.«
»Wie heißt sie gleich wieder?« fragte ich, als hätte sie es mir schon einmal gesagt.
»Renata Huff.«
»Was ist mit ihrem Mann? Wenn sie nicht da ist, könnte unser Makler vielleicht den Mann anrufen.«
»Oh, tut mir leid. Dean ist tot. Mr. Huff, meine ich. Ich dachte, ich hätte Ihnen gesagt, daß er einen schweren Schlaganfall hatte.« Der Hund, den das endlose Gerede langweilte, begann unruhig zu werden.
»Ach, wie traurig«, sagte ich. »Wann ist er denn gestorben?«
»Ich weiß nicht genau. So vor fünf, sechs Jahren.«
»Und sie hat nicht wieder geheiratet?«
»Nein, das schien sie gar nicht zu interessieren. Mich wundert das, ehrlich gesagt. Ich meine, sie ist ja noch jung — in den Vierzigern und sie stammt aus einer reichen Familie. Jedenfalls hat man es mir so erzählt.« Der Hund begann seine lange Zunge auszufahren und versuchte, ihr das Gesicht abzulecken. Das war sicher irgendein Hundesignal, von dessen Bedeutung ich leider keine Ahnung hatte. Bussi, Fressi, Runter, Aufhören.
»Und warum will sie verkaufen? Zieht sie weg von hier?«
»Das weiß ich wirklich nicht, aber wenn Sie möchten, können Sie mir Ihre Nummer hier lassen, dann sage ich ihr das nächste Mal, wenn ich sie sehe, daß Sie hier waren.«
»Gern. Das ist nett.«
»Augenblick. Ich hole mir nur was zu schreiben.«
Sie ging von der Tür zu einem Beistelltisch im Vestibül und kam gleich darauf mit einem Stift und einem alten Briefumschlag zurück.
Ich erfand eine Nummer mit der Vorwahl von Montebello, wo die Reichen wohnen. »Können Sie mir vielleicht Mrs. Huffs Nummer geben?«
»Die habe ich leider nicht. Ich glaube, sie ist nicht eingetragen.«
»Ach, na ja, der Makler wird sie schon haben«, meinte ich sorglos. »Glauben Sie, sie hätte was dagegen, wenn ich inzwischen Wal einen kurzen Blick durch die Fenster werfe?«
»Bestimmt nicht. Es ist wirklich ein hübsches Haus.«
»Ja, das kann ich mir vorstellen«, sagte ich. »Ich habe gesehen, daß auch ein Bootssteg da ist. Hat Mrs. Huff ein Boot?«
»O ja, ein großes Segelboot... achtundvierzig Fuß. Aber ich hab’s schon eine ganze Weile nicht mehr
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