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Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Titel: Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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draußen gesehen. Vielleicht läßt sie was dran machen. Ich weiß, daß sie es von Zeit zu Zeit aus dem Wasser nimmt. Na ja... ich gehe jetzt besser hinein, dem Hund wird kalt.«
    »Natürlich. Vielen Dank noch mal.«
    »Keine Ursache«, sagte sie.

13
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    Aus zwei altmodischen Kutschenlampen, die wahrscheinlich nachgemacht waren, fielen zwei sich überschneidende Lichtkreise auf die vordere Veranda. Rechts und links von der Haustür waren schmale, hohe Fenster. Ich drückte meine Nase an die Scheibe des rechten und schirmte meine Augen mit den Händen gegen das Licht ab. Hinter dem Vestibül sah ich einen kurzen Korridor, der sich in einen großen, nach hinten hinaus liegenden Raum öffnete. Das Haus hatte, soweit ich sehen konnte, glänzende Holzfußböden, die blaßgrau gebeizt worden waren, und überbreite Türen. Durch eine Reihe Fenstertüren in der hinteren Mauer konnte ich bis zur Sonnenterrasse hinter dem Haus sehen.
    Rechts von mir schwang sich eine Treppe zur ersten Etage. Die Nachbarin hatte von einem Lift erzählt, aber ich könne keinen sehen. Vielleicht hatte Renata ihn nach Mr. Huffs Hinscheiden entfernen lassen. Es hätte mich interessiert, ob es sein Reisepaß war, mit dem Wendell Jaffe durch die Lande streifte.
    Während ich von Fenster zu Fenster ging, öffnete sich das Haus meinem Blick. Die Zimmer waren nicht überladen, ordentlich aufgeräumt, alles schien zu blitzen. Vorn waren ein Arbeitszimmer und ein zweiter Raum, der mir nach einem Gästezimmer aussah, wahrscheinlich mit eigenem Bad.
    Ich stieg die Verandatreppe hinunter und ging zur linken Seite des Hauses. Die Garage war abgeschlossen, wahrscheinlich auch durch die Alarmanlage gesichert. Ich sah mir die Gartenpforte an. Sie schien kein Schloß zu haben. Ich zog an einem Ring, an dem ein Stück Schnur festgemacht war. Der Riegel öffnete sich, und mit angehaltenem Atem, darauf gefaßt, daß jeden Moment die Alarmanlage losgehen würde, trat ich durch das Törchen. Totenstille. Nur das Quietschen der Pforte war zu hören. Ich schloß sie behutsam hinter mir und ging den schmalen Fußweg zwischen Garage und Zaun entlang. Ich sah das Abluftrohr eines Wäschetrockners und stellte mir den Waschraum auf der anderen Seite der Mauer vor.
    Die Sonnenterrasse war vom grellen Schein mehrerer Zweihundert-Watt-Scheinwerfer taghell erleuchtet. Ich schlich mich an der Hauswand entlang und spähte durch die Fenstertüren ins Innere: das große Wohnzimmer mit einem anschließenden Speisezimmer, auf dessen anderer Seite ich ein Stück Küche erkennen konnte. Ach, du lieber Gott. Renata hatte jene Art von Tapete gewählt, die nur Innenarchitekten schön finden: ein giftiges Chinesengelb voll grüner Ranken und explodierender Boviste. Das Muster wiederholte sich im teuren Stoff der Vorhänge und Möbelbezüge. Es konnte sein, daß in diesem Raum ein Pilz außer Kontrolle geraten war und sich wie ein Virus reproduziert hatte, bis jede Ecke überwuchert war. Ich hatte mal ähnliche Bilder in einem wissenschaftlichen Magazin gesehen. Schimmelpilzsporen in neunzehnhundertfacher Vergrößerung.
    Ich ging über die Terrasse und dann die Rampe hinunter zum dunklen Wasser. Dort drehte ich mich herum und blickte zum Haus zurück. Es gab keine Außentreppe, keinen Weg, soweit ich sehen konnte, zum ersten Stockwerk hinauf. Ich ging durch die Pforte wieder zurück, ließ den Riegel hinter mir lautlos einschnappen, vergewisserte mich, daß auf der Straße kein Auto kam. Das hätte mir jetzt gerade noch gefehlt, daß genau in diesem Moment Renata nach Hause kam und mich im Licht ihrer Scheinwerfer in ihrer Einfahrt ertappte.
    Als ich am Briefkasten vorn an der Straße vorbeikam, tippte mir ein kleiner Teufel auf die Schulter und meinte, ich sollte doch ruhig mal die Postvorschriften der Vereinigten Staaten verletzen. »Willst du wohl aufhören?« sagte ich empört, aber natürlich hatte ich die Klappe schon aufgezogen, um das Bündel Briefe aus dem Kasten zu nehmen, das an diesem Tag gebracht worden war. Es war zu dunkel auf der Straße, um das Zeug zu sortieren; ich mußte den ganzen Packen in meine Handtasche stopfen. Ich bin wirklich durch und durch schlecht. Ich kann manchmal selbst nicht glauben, was ich für Scheiß mache. Erst lüge ich die Nachbarin an, und dann klaue ich Renatas Post. Gab’s denn gar nichts, wovor ich zurückschreckte? Nein, anscheinend nicht. Flüchtig fragte ich mich, ob man bei Postdiebstahl pro Fall oder pro Postsendung bestraft wurde.

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