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Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Titel: Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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eigenen Ziele gesehen und bewußt die Bemühungen des Rivalen bis zum Tod Pater Serras sabotiert habe. Seine Machtübernahme sei für Olivarez’ Vision der Todesstoß gewesen. Wie auch immer die Wahrheit aussehen mag, zynische Beobachter gaben dem Zwillingsort den Namen Perdido/Olvidado, eine Verhohnepipelung von Prospero Olivarez’ Namen. Übersetzt bedeuten die beiden Namen Verloren und Vergessen.
    Auf dieser Fahrt mied ich das Zentrum. Architektonisch war der Ort eine Mischung aus nüchternen modernen Kästen und viktorianischem Schnörkel. In jenem Teil der Städtchen, der sich zwischen dem 101 und dem Meer befindet, waren ganze Landflächen einfach asphaltiert, eine Serie ineinander übergehender Riesenparkplätze von Supermärkten, Tankstellen und Fast-Food-Abspeisen. Man konnte kilometerweit über schwarze Asphaltfelder fahren, ohne eine Straße benutzen zu müssen. Bei Seacove fuhr ich vom Highway ab und nahm Kurs auf die Perdido Keys.
    Näher am Ozean sahen die Häuser aus wie die eines kleinen Seebads — Holzverschalung mit großen Sonnenterrassen, meer-blau oder — grau gestrichen, in den Gärten leuchtende rote, gelbe und orangefarbene Blumen. Ich kam an einem Haus vorüber, auf dessen Balkon im ersten Stockwerk so viele Anzüge zum Trocknen aufgehängt waren, daß es aussah, als wären die Gäste einer Cocktailparty auf die Terrasse getreten, um frische Luft zu schnappen.
    Das Tageslicht verblaßte im Indigoblau des Abends, und in den Häusern rundherum gingen die Lichter an, als ich endlich die Straße fand, die ich suchte. Die Häuser auf beiden Seiten der schmalen Straße lagen am Wasser. Die meisten hatten hinten einen breiten Holzsteg, von dem eine kurze Holzrampe zu einem Bootsanlegeplatz hinunterführte. Der Kanal war tief genug für Boote stattlicher Größe. Ich roch den kühlen Meeresduft, und die Stille wurde akzentuiert vom gelegentlichen Plätschern von Wasser und dem Quaken von Fröschen.
    Ich fuhr langsam durch die Straße und versuchte mit zusammengekniffenen Augen die Hausnummern auszumachen, bis ich die entdeckte, die Lieutenant Whiteside mir angegeben hatte. Renata Huffs Haus war ein einstöckiger Bau, der Verputz dunkelblau gestrichen und weiß abgesetzt. Hinten war das Grundstück durch einen weißen Bretterzaun vor neugierigen Blicken von der Straße geschützt. Das Haus war dunkel, und an einem Pfosten im Vorgarten hing ein Schild, »Zu verkaufen«. Ich sagte: »Interessant!«
    Nachdem ich das Auto auf der anderen Straßenseite abgestellt hatte, ging ich eine lange Holzrampe hinauf zur Haustür und läutete, als erwartete ich, eingelassen zu werden. Auch wenn das Haus zu verkaufen war, konnte es gut sein, daß Renata hier noch wohnte. Während ich vor der Tür stand und wartete, musterte ich die beiden Nachbarhäuser rechts und links. Das eine war ganz dunkel; im anderen brannte hinten Licht. Ich drehte mich um, so daß ich die Häuser gegenüber in Augenschein nehmen konnte. Soweit feststellbar, wurde ich nicht beobachtet, und es schienen auch keine bissigen Hunde auf den Anwesen in der Nachbarschaft zu sein. Ich betrachte das häufig als stillschweigende Aufforderung zum Einbruch, aber hier hatte ich durch eines der schmalen Fenster, die die Haustür flankierten, den verräterischen Schimmer eines roten Lämpchens gesehen, ein Zeichen, daß die Alarmanlage eingeschaltet war. Nicht nett von Renata.
    Und nun? Ich konnte nach Santa Teresa zurückfahren, aber es hätte mich geärgert, die Fahrt ganz umsonst unternommen zu haben. Wieder sah ich zu dem Nachbarhaus hinüber, in dem Licht brannte. Durch ein Seitenfenster sah ich eine Frau, die mit gesenktem Kopf in ihrer Küche arbeitete. Ich ging die Rampe wieder hinunter und durchquerte den Garten, wobei ich darauf achtete, nicht in die Blumenbeete zu treten. Ich läutete und sah, während ich wartete, ohne sonderliches Interesse zu Renatas Vorderveranda hinüber. Genau in diesem Momenht gingen im Haus automatisch die Lichter an — das sollte den Eindruck erwecken, es sei bewohnt. Tatsächlich sah es jetzt nur aus wie ein leeres Haus, in dem sinnlos Licht brannte.
    Über mir flammte die Verandalampe auf, und dann wurde die Haustür einen Spalt geöffnet. »Ja bitte?« Die Frau war meiner Schätzung nach in den Vierzigern. Ich konnte nur ihr langes, dunkles Haar sehen, das lockig über ihre Schultern herabfiel wie eine altmodische Allongeperücke. Sie roch nach Flohpulver. Erst dachte ich, es sei ein neues Designerparfüm, aber

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