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Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Titel: Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Wenn das letztere der Fall sein sollte, sammelte ich ganz schön Strafpunkte.
    Ehe ich nach Hause fuhr, machte ich noch einen Abstecher zu Dana Jaffes Haus. Ich schaltete die Scheinwerfer aus und hielt meinen Wagen ihrem Haus gegenüber an. Ich ließ den Schlüssel im Zündschloß und eilte lautlos über die Straße. Im Erdgeschoß brannten alle Lichter. Um diese Zeit war auf der Straße kaum Verkehr. Von den Nachbarn war nichts zu sehen. In der Dunkelheit huschte ich über den Rasen. Die Büsche seitlich vom Haus gaben so viel Deckung, daß ich ungestört spionieren konnte. Wenn schon Postdiebstahl, dachte ich mir, dann auch gleich noch ein bißchen unbefugtes Betreten von Privatgrundstücken.
    Dana sah fern. Ihr Gesicht war dem Gerät zwischen den Fenstern zugewandt und wurde von wechselnden Lichtreflexen beleuchtet. Sie zündete sich eine Zigarette an, nahm das Glas, das neben ihr auf dem Beistelltisch stand, und trank einen Schluck. Von Wendell Jaffe war keine Spur zu sehen; nichts ließ darauf schließen, daß außer Dana noch jemand im Haus war. Ab und zu lächelte sie, vielleicht in Reaktion auf das vorgefertigte Fernsehgelächter, das ich gedämpft hören konnte. Ich wurde mir plötzlich bewußt, daß ich die ganze Zeit den Verdacht gehabt hatte, sie stecke mit ihm unter einer Decke und hätte all die Jahre immer gewußt, wo er war. Als ich sie jetzt allein sah, ließ ich diesen Verdacht fallen. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, daß sie dem Mann dabei geholfen haben sollte, seine Söhne im Stich zu lassen. Beide Jungen hatten in den vergangenen fünf Jahren gelitten.
    Ich setzte mich wieder in meinen Wagen, ließ den Motor an und wende, bevor ich meine Scheinwerfer wieder einschaltete. Als ich wieder in Santa Teresa war, machte ich bei McDonald’s in der Milagro Street halt und holte mir einen Viertelpfünder und eine Portion Pommes. Den Rest der Fahrt begleitete mich der Geruch nach geschmorten Zwiebeln und warmen Dillgurken, nach Hackfleisch und geschmolzenem Käse und diversen Gewürzen. Ich stellte das Auto ab und trat mit der Tüte mit meinem verspäteten Abendessen in der Hand durch das quietschende Tor.
    Bei Henry brannte kein Licht mehr. Ich ging in meine Wohnung. Dort stellte ich den Styroporbehälter auf die Arbeitsplatte, machte den Deckel auf und benutzte den als Behälter für die Pommes. Nachdem ich aus den Tütchen, die ich mitgenommen hatte, Ketchup auf die Kartoffeln gegeben hatte, setzte ich mich auf einen Barhocker und mampfte, während ich die Post durchsah, die ich gestohlen hatte. Wie soll ich das Stehlen aufgeben, wenn es mir eine solche Fülle an Informationen einbringt? Meinen niedrigen Instinkten folgend, hatte ich doch tatsächlich Renatas Telefonrechnung erwischt, die nicht nur ihre nicht eingetragene Nummer enthielt, sondern auch eine chronologische Liste aller Nummern, von denen sie in den vergangenen dreißig Tagen per Kreditkarte angerufen hatte. Die Visa-Rechnung, die auf Renatas Namen und den ihres Mannes lautete, gab eine genaue Übersicht über die Orte, die sie und >Dean DeWitt Huff< besucht hatten. Für einen Toten war er ganz schön unternehmungslustig. Einige der Kreditkartenquittungen enthielten hervorragende Handschriftenproben von ihm. Die Ausgaben in Viento Negro war noch nicht aufgeführt, aber ich konnte die beiden von La Paz nach Cabo San Lucas und San Diego zurückverfolgen. Lauter Hafenstädte, die per Boot gut zu erreichen waren, wie ich bemerkte.
    Um halb elf ging ich zu Bett und schlief wie ein Murmeltier bis sechs. Eine halbe Sekunde, ehe mein Wecker rasselte, wachte ich auf. Ich schob die Bettdecke weg und griff nach meinen Joggingsachen. Nachdem ich mich in aller Eile gewaschen hatte, hopste ich meine Wendeltreppe hinunter und ging auf die Straße.
    Es war noch morgendlich kühl, doch die Luft war seltsam drückend, als würde die vom vergangenen Tag verbliebene Hitze von der dichten Wolkendecke am Himmel niedergehalten. Das frühe Licht schimmerte perlgrau. Der Strand sah so fein und weich aus wie graues Leder, von den Nachtwinden gekräuselt und von der Brandung geglättet. Meine Erkältung war bereits viel besser, aber ich wagte es noch nicht, die vollen drei Meilen zu laufen. Ich wechselte zwischen Gehen und Laufen und achtete dabei auf meinen Atem und die Proteste meiner Beinmuskeln. Um diese frühe Zeit mache ich mich immer auf das Unerwartete gefaßt. Ich sehe den gelegentlichen Obdachlosen, geschlechtslos und anonym, der im Gras schläft,

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