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Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Titel: Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Spanisch, aber spätestens um halb acht bin ich zu Hause. Wenn ich ihn zurückrufen soll, dann bitte ihn um seine Nummer.«
    Sie nickte, winkte und verschwand.
    Ich holte meinen Wagen und fuhr zur Schule, zwei Meilen entfernt. Vera Lipton kam kurz nach mir auf den Parkplatz und bog in die erste kaum besetzte Gasse rechts ein. Ich hatte die zweite links genommen, näher beim Eingang. Wir waren beide dabei, unsere Theorien darüber zu erproben, wie man nach dem Unterricht am schnellsten wegkam. Die meisten der vorhandenen Klassenzimmer waren von der Abendschule besetzt, und nach dem Unterricht stiegen jedesmal hundertfünfzig bis zweihundert Leute gleichzeitig in ihre Autos.
    Ich nahm meinen Block, meinen Stapel Papiere und mein 501 Spanische Verben. Eilig verschloß ich den Wagen und rannte quer über den Platz, um Vera abzufangen. Wir hatten uns kennengelernt, als ich noch regelmäßig für die California Fidelity gearbeitet hatte, bei der sie angestellt war, zunächst als Sachbearbeiterin, dann als Abteilungsleiterin. Sie ist wahrscheinlich die beste Freundin, die ich je haben werde, obwohl ich eigentlich nicht recht weiß, was zu so einer Beziehung gehört. Jetzt, da wir nicht länger benachbarte Büros hatten, hatten unsere Kontakte etwas Sporadisches bekommen. Das war ein Grund, weshalb die Idee, zusammen einen Spanischkurs zu besuchen, so reizvoll erschienen war. In der Pause pflegten wir uns in aller Eile über die besonderen Ereignisse der Woche auszutauschen. Manchmal lud sie mich nach dem Unterricht zum Essen bei sich zu Hause ein, und dann lachten und schwatzten wir häufig bis tief in die Nacht. Nach siebenunddreißig Jahren überzeugten Alleinlebens hatte Vera einen Allgemeinmediziner namens Neil Hess geheiratet, mit dem sie im Jahr zuvor eigentlich mich hatte verkuppeln wollen. Was mich damals amüsierte, war die Tatsache, daß sie hin und weg war, aber aus Gründen, die ich für vorgeschoben hielt, meinte, er passe nicht zu ihr. Ganz besonders störte es sie, daß sie beinahe einen Kopf größer war als er. Am Ende siegte die Liebe. Oder Neil legte sich Plateausohlen zu.
    Sie waren nun seit neun Monaten verheiratet — seit dem vergangenen November — , und ich fand, daß sie nie besser ausgesehen hatte. Sie ist groß und stramm: vielleicht einen Meter fünfundsiebzig bei 65 Kilo, nicht zierlich. Sie war wegen ihrer großzügigen Proportionen niemals verlegen gewesen. Tatsache ist, daß Männer in ihr eine Art Göttin zu sehen schienen und überall, wo sie auftauchte, mit ihr ins Gespräch zu kommen versuchten. Jetzt, da sie und Neil regelmäßig Sport treiben — Jogging und Tennis — hatte sie zehn Kilo abgenommen. Ihr früher rotgefärbtes Haar hatte wieder seine natürliche Farbe, ein lichtes Braun, und sie trug es schulterlang. Sie kleidete sich immer noch wie eine Fluglehrerin: Overalls mit dicken Schulterpolstern und eine getönte Fliegerbrille, manchmal mit hohen Absätzen, heute abend mit Stiefeln.
    Als sie mich sah, nahm sie ihre Brille ab und winkte heftig. » ¡Hola! « rief sie vergnügt. Bisher war dies das einzige Wort, das wir wirklich gemeistert hatten, und wir gebrauchten es, so häufig wir konnten. Ein junger Bursche, der gerade die Hecken stutzte, sah erwartungsvoll auf. Wahrscheinlich glaubte er, Veras Ruf gelte ihm.
    » ¡Hola! « antwortete ich. » ¿Dónde están los gatos? « Immer noch auf der Suche nach diesen geheimnisvollen schwarzen Katzen.
    » En los árboles .«
    » Muy bueno «, sagte ich.
    »Mensch, klingt das nicht toll?«
    »Doch, und der Bursche da drüben glaubt bestimmt, wir seien Hispanos«, erwiderte ich.
    Vera lachte und winkte ihm einmal kurz zu, ehe sie sich wieder mir zuwandte. »Du bist ja heute richtig früh dran. Meistens flatterst du doch mit einer Viertelstunde Verspätung herein.«
    »Ich hab’ am Schreibtisch gesessen und konnte es nicht mehr erwarten, den ganzen Papierkram wegzulegen. Wie geht’s dir? Du schaust gut aus.«
    Wir gingen ins Klassenzimmer und schwatzten vergnügt, bis die Lehrerin kam. Patty Abkin-Quiroga ist klein und zierlich, sehr enthusiastisch und unseren tolpatschigen Gehversuchen in ihrer Sprache gegenüber sehr tolerant. Nichts ist so frustrierend, wie in einer fremden Sprache herumzustolpern wie ein Narr, und wäre nicht ihr Verständnis gewesen, so hätten wir schon nach den ersten Wochen entmutigt aufgegeben. Wie gewöhnlich begann sie den Unterricht, indem sie uns eine lange Geschichte auf Spanisch erzählte, irgend

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