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Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht

Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht

Titel: Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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füllte eine Nische mit einem Erkerfenster, das mit - ich äugte genauer hin -künstlichen Pflanzen geschmückt war. Sie wies mir einen Platz auf der anderen Seite des Tischs an, faltete die Tüte ordentlich zusammen und legte sie in ein Regal, das bereits von anderen Einkaufstüten überquoll.
    Dann ging sie an den Kühlschrank und öffnete ihn. »Was nehmen Sie in Ihren Kaffee? Ich habe Haselnuß-Kaffeeweißer oder ein bißchen Halb-und-halb.« Sie nahm eine kleine Milchtüte heraus und schnüffelte forschend am Ausgießer. Sie verzog das Gesicht und stellte die Tüte in die Spüle. »Schwarz ist mir recht.« »Ganz sicher?« »Ehrlich. Kein Problem. Ich bin nicht wählerisch«, sagte ich. Ich zog die Jacke aus und hängte sie an meine Stuhllehne, während Selma zwei Kaffeebecher, die Zuckerdose und einen Löffel für sich selbst holte. Sie schenkte Kaffee ein und stellte die gläserne Kanne wieder auf die Heizplatte der Kaffeemaschine. Ihre Absätze klapperten auf dem Fußboden, wenn sie im Raum hin und her ging. Ihre Energie strahlte einen Anflug von Nervosität aus. Sie setzte sich wieder und zückte auf der Stelle ein kleines goldenes Dunhill-Feuerzeug, um sich eine neue Zigarette anzuzünden. Sie inhalierte tief. »Wo wollen Sie anfangen?«
    »Ich dachte, ich beginne mit Toms Arbeitszimmer. Vielleicht ist die Lösung ja ganz einfach und liegt offen herum.«
    Den Rest des Nachmittags verbrachte ich damit, mich durch Tom Newquists unerträglich schlampiges Arbeitszimmer zu wühlen. Ich überspringe die ermüdende Liste von Unterlagen, die ich durchsah, Akten, die ich sortierte, Schubladen, die ich ausleerte, und Quittungen, die ich nachprüfte, um irgendeinen Hinweis auf seine Probleme zu finden. In meinem Bericht gegenüber Selma übertrieb ich das Ausmaß meiner Bemühungen (leicht), damit sie zu schätzen wußte, was man heutzutage für fünfzig Dollar die Stunde bekam. Binnen zweier Stunden hatte ich es geschafft, mich durch die Hälfte dieses Durcheinanders zu kämpfen. Was auch immer Tom belastet hatte, er hatte - jedenfalls bis jetzt - ausgesprochen wenig an Hinweisen hinterlassen.
    Offenbar bewahrte er zwanghaft jeden Zettel auf, aber wie auch immer sein Ordnungssystem funktionierte, der Haufen, den er zurückgelassen hatte, war bestenfalls chaotisch zu nennen. Sein Schreibtisch war ein Wirrwarr von Aktendeckeln, Briefen, bezahlten und unbezahlten Rechnungen, Einkommensteuerformularen, Zeitungsartikeln und Unterlagen über Fälle, an denen er arbeitete. Die Schichten waren dreißig bis vierzig Zentimeter dick, und manche Stapel kippten bereits seitlich in die anderen Stapel hinein. Vermutlich wußte er, wo er fand, was er jeweils suchte. Dennoch war die Aufgabe, vor der ich stand, gewaltig. Vielleicht hatte er sich eingebildet, er hätte das Durcheinander im Handumdrehen sortiert und gebändigt. Wie die meisten Schlamper glaubte er wahrscheinlich, das Kuddelmuddel sei nur vorübergehend und er stünde kurz davor, all seine Papiere ordentlich zu sortieren. Leider hatte ihn der Tod überrascht, und nun lag es an mir, aufzuräumen. Ich nahm mir vor, sobald ich nach Hause kam, meine Unterwäsche zu sortieren.
    In der untersten Schublade seines Schreibtischs fand ich einiges von seinen Utensilien - Handschellen, Gummiknüppel und die Taschenlampe, die er dabeigehabt haben mußte. Vielleicht hätte sein Bruder Macon die Sachen gern für sich. Ich würde Selma später danach fragen.
    Ich durchsuchte zwei große Umschläge voller Plunder und nahm mir die Freiheit, bezahlte Strom- und Gasrechnungen von vor zehn Jahren wegzuwerfen. Eine zufällige Auswahl bewahrte ich auf, für den Fall, dass Selma das Haus verkaufen wollte und potentiellen Käufern die durchschnittlichen Unterhaltskosten nachweisen mußte. Ich ließ die Tür zum Arbeitszimmer offen und führte nebenbei eine Unterhaltung mit Selma in der Küche, während ich die Spreu vom Weizen zu trennen versuchte. »Ich hätte gern ein Foto von Tom.« »Wozu?« »Weiß ich noch nicht. Es erscheint mir nur ganz praktisch.« »Nehmen Sie eines von denen an der Wand am Fenster.« Ich blickte über die Schulter und entdeckte mehrere Schwarzweißfotos von ihm in verschiedenen Umgebungen. »Gut«, sagte ich. Ich legte den Papierstapel beiseite, den ich gerade sortierte, und ging auf die nächstgelegenen Bilder zu. Im größten Rahmen waren ein nicht lächelnder Tom Newquist und ein gewisser Sheriff Bob Staffer gemeinsam bei etwas abgebildet, das wie ein Festessen

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