Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht
Roggentoast, in Butter getränkt und von Marmelade triefend.
Ich hätte beinahe laut aufgestöhnt, als sich die Aromen in meinem Mund vermischten.
Auf dem Rückweg zur Hütte machte ich am Münztelefon vor dem Büro halt. Die Vorrichtung bestand aus einer altmodischen Zelle aus Glas und Metall, an der die ursprüngliche Falttür fehlte. Ich rief auf Kreditkarte bei Dietz an. »Hey, Babe! Wie geht's dem Patienten?« sagte ich, als er sich meldete.
»Prima. Und dir?«
»Nicht schlecht. Momentan auf Vorschuß.« »In Nota Lake?«
»Wo sonst? Ich stehe in einer Telefonzelle in den Kiefernwäldern«, antwortete ich.
»Wie läuft's?«
»Ich fange gerade erst an, daher ist es schwer abzuschätzen. Selma hat dir ja bestimmt schon von Tom erzählt.«
»Nur dass sie den Eindruck hatte, ihm ginge etwas im Kopf herum. Klingt vage.«
»Und wie! Hast du ihn je kennengelernt?«
»Nö. Offen gestanden habe ich sie auch über fünfzehn Jahre nicht gesehen.
Wie hält sie sich denn?«
»Sie ist in guter Verfassung. Bestürzt zwar, aber wer wäre das nicht in ihrer Situation?«
»Womit willst du anfangen?«
»Wie üblich. Heute habe ich mich damit beschäftigt, seinen Schreibtisch zu durchsuchen. Morgen fange ich an, mit seinen Freunden und Bekannten zu sprechen, dann sehen wir ja, was dabei herauskommt. Ich gebe mir Zeit bis Donnerstag, dann weiß ich, wie der Hase läuft. Ich wäre gern am Wochenende zu Hause, falls sich dieser Auftrag nicht noch in die Länge zieht. Was macht dein Knie?«
»Dem geht's viel besser. Die Krankengymnastin ist zwar eine Landplage, aber ich gewöhne mich langsam daran. Deine Sandwiches fehlen mir.«
»Lügner.«
»Nein, das ist mein Ernst. Sobald du dort fertig bist, mußt du unbedingt wieder herkommen.« »Hmmm. Nein danke. Ich will in meinem eigenen Bett schlafen. Und ich habe Henry seit einem Monat nicht gesehen.« Henry Pitts war mein sechsundachtzigjähriger Vermieter. Wenn der Rentnerbund je einen Kalender mit männlichen Pin-ups über Achtzig machen würde, käme er aufs Titelblatt. »Tja, überleg's dir«, sagte Dietz.
»Klar, unbedingt. Hör mal, meine Florence-Nightingale-Phase ist vorüber. Ich habe einen Auftrag zu erledigen. Außerdem muß ich jetzt Schluß machen. Es ist verflucht kalt hier.« »Na gut, einverstanden. Paß auf dich auf.« »Gleichfalls«, sagte ich. Ich wählte Henrys Nummer und erwischte ihn gerade noch, bevor er zur Tür hinausging. »Wohin willst du denn?« fragte ich.
»Zu Rosie's. Sie und William brauchen heute Hilfe mit den Abendgästen«, antwortete er. Rosie war die Besitzerin der Kneipe, die einen halben Block von meiner Wohnung entfernt lag. Sie und Henrys älterer Bruder William hatten letztes Thanksgiving geheiratet, und jetzt wurde William im Handumdrehen zum Wirt.
»Und was ist mit dir? Von wo aus rufst du an?«
Ich wiederholte meine Geschichte und informierte ihn über meine momentane Lage. Ich nannte ihm sowohl Seimas Nummer als auch die Nummer von Nota Lake Cabins, falls er mich erreichen mußte. Wir plauderten noch ein Weilchen, bevor er wegmußte. Nachdem er aufgelegt hatte, rief ich noch in Lonnies Büro an und hinterließ eine Nachricht für Ida Ruth, der ich ebenfalls meinen Aufenthaltsort und Seimas Nummer nannte, falls sie mich aus irgendeinem Grund sprechen mußte. Eine andere Methode, um in Verbindung zu bleiben, fiel mir nicht ein. Nachdem ich aufgelegt hatte, steckte ich die Hände in die Jackentaschen und hoffte vergebens auf Schutz vor dem Wind. Der Gedanke, den Abend in der Hütte zu verbringen, erschien mir deprimierend. Mit nur zwei Vierzigwattbirnen wäre selbst Lesen anstrengend. Ich stellte mir vor, wie ich zusammengekauert und blinzelnd unter dieser feucht aussehenden Steppdecke lag und die Spinnen aus dem Holzstoß gekrochen kamen, sobald meine Wachsamkeit nachließ. Es war eine trostlose Vorstellung, wenn man bedachte, dass ich lediglich ein Buch über die Identifizierung von Reifen- und Fußspuren dabeihatte.
Ich ging zur Motelrezeption hinüber und spähte durch die Glastür hinein. Es brannte Licht, doch Cecilia war nirgends zu sehen. Auf einem handgeschriebenen Schild stand Bitte klingeln . Ich marschierte hinein, ignorierte die Tischglocke und klopfte an die Tür mit der Aufschrift Direktion . Kurz darauf erschien Cecilia in einem pinkfarbenen Chenille-Bademantel und flauschigen pinkfarbenen Hausschuhen. »Ja?« »Hallo, Cecilia. Kann ich Sie kurz sprechen?« »Stimmt etwas nicht mit dem Zimmer?«
»Nein,
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