Kirchweihmord
herumführen zu können? Meinst du, er rechnete gar nicht damit, dass jemand seine obskuren Rätsel durchblicken würde?«, fragte Britta entgeistert.
»Lös du mal diese Orakelsprüche auf, wenn du patschnass in einem schwankenden Kahn sitzt«, sagte Katinka.
Britta sah sie eigentümlich lange an. Dann legte sie ihren Stift weg und erklärte: »Ich denke eher, er hat seine Textaufgaben genau auf euch abgestimmt.«
»Was?«, rief Katinka.
Harduin setzte sein Bierglas ab. »Da könnten Sie recht haben, Frau Beerenstrauch«, sagte er ruhig.
Katinka stellte mit Verwunderung fest, dass er zu einer höflichen Anrede in der Lage war. Sieh an, dachte sie. Frau Beerenstrauch.
»Na klar!«, ereiferte sich Britta. »Er nimmt zwei Lektionen Historie und hebt noch eine Prise Literatur unter.«
Katinka stützte den Kopf in ihre Hände. Der Gedanke schockierte sie. Waren sie und Uttenreuther dem Wahnsinnsknaben direkt auf den Leim gegangen?
Brittas Stimme drang undeutlich durch ihre Gedanken. Wie viel Gift war wohl in den einzelnen Päckchen gewesen? Die Untersuchungen der nächsten Tage würden die Wahrheit ans Licht bringen und auch mehr über Eagles Motive. Doch im Augenblick war sie sich nicht sicher, ob sie irgendetwas darüber wissen wollte.
»Übrigens«, erkundigte sich Britta. »Wie kam Eagle in die Wohnung in der Sandstraße?«
»Wir sind dran, genau das herauszufinden«, erklärte Uttenreuther. »Eventuell wusste er, dass die Bewohner verreist sind. Türen bekommt man immer auf, wenn man es drauf anlegt.«
»Na, dann will ich mal!«, sagte Britta. Sie schaltete das Aufnahmegerät aus und warf es mitsamt Stift und Block in ihre monströse Tasche. »Endlich gibt’s was anderes zu schreiben als eine prickelnde Reportage über das vom Oberbürgermeister persönlich gestartete, ultimative Badewannenentenrennen.«
Katinka staunte.
»Wann war das denn?«
»Gestern Nachmittag. Wirst du morgen im FT lesen. Zusätzlich zu den Lamentos über das Feuerwerk, das dieses Jahr ausfällt, und zu einem ausführlichen Bericht über einen Verrückten, der die Sandkirchweih hopsnehmen wollte.«
»Das Feuerwerk fällt aus?« Katinka starrte Britta verständnislos an. »Aber jedes Jahr beendet das Feuerwerk am Montag die Sandkirchweih und …«
Britta seufzte theatralisch, während sie ihre Tasche schulterte. »Ich sag’s noch einmal und dann nie mehr: Schande dem, der unsere Zeitung nicht liest.«
Sie hauchte Katinka einen Kuss auf die Wange und drückte Uttenreuther die Hand.
»Vielen Dank, Herr Hauptkommissar. Und wenn ich noch Fragen habe …«
»… wenden Sie sich vertrauensvoll an die Polizei.« Hardo grinste.
»Ich schwirr ab. Wünsche einen angenehmen Abend.«
»Weg ist sie.« Katinka trank ihr Bier aus. »Haben Sie das mit dem Feuerwerk gewusst?«
»Bamberg spricht fast über nichts anderes mehr, mal abgesehen von den Wespenstichen: Wegen der Hitze und der Trockenheit wird kein Feuerwerk stattfinden. Zu gefährlich. Wir könnten zur Abwechslung eine Feuersbrunst erleben.«
Er hob seinen Korb auf einen Stuhl und packte aus: Kuchen, Teller, die Thermosflasche, einen Becher mir zerfließender Sahne, Löffel, Kuchengabeln, Tassen.
»Espresso ist es nicht, aber ein normaler deutscher Kaffee tut’s auch«, sagte er und schenkte die beiden Tassen voll.
»Der Schnaps geht dann aber auf meine Rechnung«, lächelte Katinka. »Glauben Sie wirklich, wie Britta, dass Eagle ausgerechnet uns beide auf diese Geschichte angesetzt hat?«
»Möglich«, meinte Uttenreuther und gabelte ein halbes Stück Apfelkuchen auf einmal auf. »Er ist ein genialer Kopf. Nur leider völlig irrsinnig.«
»Die Sprengladungen«, begann Katinka.
Uttenreuther lachte: »Glück oder Zufall oder Karma. Ich habe schon einmal eine solche Konstruktion gesehen und zerlegt.«
»Unter der Ägide einer Sprengmeisterin?«, grinste Ka-tinka.
Er lachte, dann sah er sie ernst an: »Auch ein seelischer Abgrund kann nützliche Früchte hervorbringen.«
Zwei Stunden später, als kaum noch Gäste da waren und die Wirtin mit einem Karren herumzog, um das letzte Geschirr abzuräumen, sagte Hardo: »Gestern Nacht, das … vergessen Sie am besten, ja?« Die Verlegenheit glitzerte in seinen Augen.
»Nein. Ich möchte es nicht vergessen«, sagte Katinka.
Sie sahen sich an.
»Ich fahre Sie nach Hause«, sagte Hardo.
19. Nach Osten
Der Wecker warf Katinka um acht Uhr aus dem Bett. Sie schüttelte die Müdigkeit aus den Gliedern, kochte Kaffee, packte
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