Kirchweihmord
liegen. Melissa saß in der Küche und trank Kaffee.
»Katinka!«
Sie stürmte auf ihre Schwester zu und umarmte sie.
»Was ist passiert? Der rothaarige Polizist hat mich hergebracht und mir eingeschärft, bloß nicht mehr aus dem Haus zu gehen. Habt ihr … habt ihr … Du bist ja schon wieder klatschnass!«
»Wir haben sie alle unschädlich gemacht«, sagte Katin-ka. »Melissa, mir ist schlecht.«
Melissa schenkte Katinka Kaffee ein und gab eine Menge Zucker und Milch dazu.
»Das ist ein echter großer Brauner. Wie in Wien im Hawelka . Trink mal.«
Dankbar griff Katinka nach der Tasse. Sie trank den süßen Kaffee in einem Zug aus. Dann löste sie ihre Armbanduhr vom Handgelenk und warf sie in den Mülleimer.
»Was machst du da!«, fragte Melissa.
»Ich erzähle dir alles später«, versprach Katinka. Sie schnappte sich das Telefon und wählte Toms Nummer. Mit dem Hörer unter dem Kinn ging sie ins Bad und ließ die Badewanne voll laufen.
»Tom?«
»Katinka!« Seine Stimme klang warm und versöhnlich. »Ich habe schon mehrmals dein Handy angerufen heute Nachmittag …«
»Tom«, unterbrach Katinka. »Heute habe ich eine wirklich große Sache abgeschlossen.«
Sie zog sich aus, warf Hose, T-Shirt, BH und Slip auf einen Haufen und stieg in die Wanne. In Toms gespanntes Schweigen hinein erzählte sie ihm von Eagle, den Ricin-Päckchen und dem Wettlauf gegen die Uhr. Sie ließ ihren nächtlichen Ausflug zum Weinbergweg weg, genauso wie Uttenreuthers Besuch. Dafür erwähnte sie Florian und Melissa. Tom lachte glucksend. Er brach in eine Schimpfkanonade aus, als sie zu ihrem Sprung in die Regnitz kam. Er schwieg entgeistert, als sie von den tickenden Armbanduhren erzählte. Katinka wusch sich mit einer Hand die Haare, während sie weiterredete. Das Badewasser kam ihr braun und brackig vor. Sie ließ es ablaufen und drehte dann den Wasserhahn wieder auf.
»Ich komme morgen«, sagte sie. »Du kannst arbeiten, soviel zu willst. Ich lasse dich in Ruhe, sehe mir Prag an und verabrede mich mit Václav Hável zum Tee.«
»Das ist das Beste, was ich heute zu hören gekriegt habe«, sagte Tom.
Als Katinka aus der Wanne stieg, war es halb sieben. Sie föhnte sich die Haare und suchte ein Kleid aus ihrem Schrank. Melissa sah ihr zu, wie sie sich anzog und einen Hauch Orange auf ihre Lippen malte.
»Der Kommissar mag dich«, sagte sie.
»Ich weiß.«
»Und du?«
»Ich mag ihn auch. Aber ich liebe Tom. Melissa«, sagte sie. »Das ist unser letzter gemeinsamer Abend. Morgen fahre ich nach Prag, du nach Wien.«
Melissa nickte. Ihre Augen schimmerten dunkel.
»Versuche doch, Florian zu erreichen. In einer halben Stunde holt uns Hardo ab, und wir gehen auf den Keller. Vielleicht kann er seinen Dienst tauschen und mitkommen.«
Melissa nickte und telefonierte. Katinka nahm die Beretta aus ihrem Rucksack und schloss sie in den Kleiderschrank ein. Bis morgen musste das reichen. Sie stopfte ihre Klamotten in die Waschmaschine, steckte Geldbeutel und Handy in die Basttasche und nahm sich noch einen Kaffee. Während sie ihn schluckweise trank, hörte sie Melissa beim Flirten zu.
Hardo klingelte pünktlich um sieben. Diesmal fuhr er keinen Polizeiwagen, sondern einen schwarzen Golf aus der vorvorigen Generation.
»Vor zwei Stunden sahen Sie noch ganz anders aus«, sagte er grinsend zu Katinka.
»Sie aber auch!«, gab Katinka zurück. Uttenreuther hatte sich frisch rasiert und trug statt der üblichen karierten Hemden ein gestreiftes zu einer unverkennbar sauberen Jeans. Er roch nach After Shave. »Haben Sie was dagegen, wenn ich Britta anrufe, und sie zu uns stößt?«
»Ihre Journalistenfreundin? Nicht die Bohne.«
»Und morgen«, sagte Katinka, während sie auf den Beifahrersitz sank, »morgen werde ich nach Prag fahren. Ich hoffe, das ist kein Problem.«
Sie sah ein Zucken in Hardos Gesicht. Ruhig sagte er: »Das ist keines. Wir machen gleich morgen früh das Protokoll, dann können Sie fahren, wohin Sie wollen.«
Katinka spürte Melissas Blick und schaute aus dem Fenster. Hardo fuhr über Kunigundendamm und Münchner Ring zum Wilde-Rose-Keller . Sie war ihm dankbar, dass sie nicht nochmal am Mahrs-Keller vorbeikamen und an die schrecklichen Momente in Eagles Gewalt denken mussten. Als der Golf in die Schellenbergerstraße einbog, zog sie ihr Handy aus der Tasche und rief Britta an.
»Katinka!«, unterbrach Britta sofort. »Ich habe ein enorm schlechtes Gewissen, weil ich mich die ganze Zeit nicht gemeldet habe.
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