Kirchwies
geopfert. Auch das Gartentor stammte vom Bene. Jede siebte Zaunlatte hatte Campari oben mit einer Schnitzerei versehen. Der Großvater selig hatte es ihm beigebracht. Die siebte Latte sollte auf den Sonntag als hervorgehobenen Wochentag hinweisen. Für die Bodenangel am Gartentürl hatten sie hohle Steine verwendet. Oben hatte Campari Zaun und Tor mit einem geflochtenen Ring aus dünnen Fichtenzweigen beweglich verbunden.
Das Gartentürl stand offen. Beste Gelegenheit, dachte Campari, um den Angriff zu starten. »Margot«, rief er laut.
Als sie sich nach einer Weile aufrichtete, reckte und sich umdrehte, sorgte er für eine fröhliche Miene auf seinem Gesicht.
»Margot, komm her!«
»Komm du doch her!«
Mit ihr war nicht zu spaßen. »Ich muss dir was sagen.«
»Kannst mir auch hier sagen.«
Der Klügere gibt nach. »Was machst du grad?«, fragte er, als er behutsam auf das geöffnete Türl zuging.
Sie drehte sich ganz zu ihm um. Mit einem geschickten Schwung der Hände schleuderte sie Grubber und Schaufel mit dem spitzen Teil nach unten. Zitternd blieben sie in der Erde stecken.
»Was willst du?«, fragte sie. »Bist du durch mit deiner Dorfschlampe?«
»Margot …«
»Jaja, Margot. Da is nix, da war nix, da wird nix sein. Ich kenn deine Sprüch.« Ein sonniges Lächeln breitete sich über ihr Gesicht aus. »Willst wirklich wissen, was i mach?«
»Freili, Margot«, sülzte er.
Sie deutete auf die Jungpflanzen auf der Zeitung. »Ich pflanz noch Winterendivien, Kohlrabi und Rosenkohl. Und da, den Knoblauch und die Zwiebeln, die, wo da liegen, die brauch ich für die Ochsenbackerln, die, wo i heut Abend koch. Für dich.« Erwartungsvoll strahlte sie ihn an.
Obwohl die Ochsenbackerln neben der Martinigans seine Leibspeis waren, tat Campari so, als gehe ihn die ganze Sach nix an.
»Hab ich dir eigentlich schon gesagt«, fragte er sie, »dass die Thea Brommel wieder ausgraben wird? Die Leiche, mein ich.«
Margot griff sich einen Rechen, der am Zaun lehnte, um sich darauf abzustützen. Sie war blass geworden.
»Was? Ausgraben? Die tote Thea? Willst ihr sogar im Tod noch an die Wäsche?«
Was sollte man darauf antworten? Hauptsache, dachte er bei sich, die Margot wird’s verbreiten.
»Und? Wann soll das sein? Wann ist die Ausgrabung?«, fragte sie aufgeregt.
»Bald«, gab er zurück, drehte sich um und ging.
Über die Folgen war er sich im Klaren.
»Hallo, Fritzi? Magst bitte deinen Journalisten über die Exhumierung informieren? Wir müssen die Neuigkeit überall verbreiten. Mitten ins Wespennest stechen.«
Campari wollte schon auflegen, da kam ihm ein weiterer Gedanke.
»Und tust mir noch einen Gefallen? Der Pater hat das mit der Ausgrabung ja schon im Löchl mitgekriegt. Der hat sehr aufmerksam zugehört. Aber setz ihn ruhig noch mal ins Bild, das kann ned schaden. Über ihn wird’s dann bestimmt auch die Fanny erfahren.«
In Gedanken versunken hörte er ein weit entferntes Geräusch. Es klang vertraut. Es war sein Handy. Er fischte es aus seiner Tasche.
»Bist du dran?«, wurde er empfangen. Er erkannte Margot an der Stimme. Allerhöchstens einmal im Jahr rief sie ihn an. Dies war der Anruf.
»Was gibt’s, Margot? Hast du dich wieder beruhigt?«
Er hörte das Knirschen von Zähnen. »Die von deiner Partei haben angerufen«, sagte sie. »Es geht um deine Kandidatur. Du sollst zurückrufen.«
»Hallo, München? Geben Sie mir die Generalsekretärin.«
Es dauerte nicht lange, da hörte Campari die vertraute Stimme der Frau, die in letzter Zeit auf allen TV -Kanälen zu sehen und zu hören gewesen war.
»Mein lieber Campari.«
Wenn jemand schon so begann, verhieß das nichts Gutes. Oder doch? Vielleicht wollte sie ihm persönlich eröffnen, dass seine Kandidatur durch war.
Er erinnerte sich gut. Er war damals siebzehn oder achtzehn, ebenso munter wie kompliziert und leicht zu beeindrucken gewesen. Bevor Tonio Campari, sein Vater, Minister geworden war, hatte er den Buben öfters mit in den Landtag genommen. Die temperamentvollen Reden, die ernsthaften und wichtigen Mienen, die prunkvolle Umgebung im Maximilianeum – schon damals hatte der junge Campari sich vorgenommen, später auch einmal hier einzuziehen. Vorerst aber war er ein hemdsärmeliger Kriminalbeamter bei der Mordkommission geworden, der auf spektakuläre Ermittlungserfolge zurückblicken konnte.
Der Vater hatte ihn bewogen, mit achtzehn in die Partei einzutreten. Das war nachher auch der Grund gewesen, dass er – wenige
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