Kirchwies
dafür sorgen, dass er es auch erfährt. Das wird unsere Aufgabe sein.«
»Das bedeutet: Je öffentlicher davon gesprochen wird, desto besser? In der Presse, im Radio, im Fernsehen?« Fritzis Neugier war geweckt.
»Ja, das selbstverständlich auch. In den Medien muss verkündet werden, dass wir kurz vor der Aufklärung der Tat stehen. Gleichzeitig halte ich in unserem Fall das Mittel des Rundsprechverfahrens für sehr wirkungsvoll.«
»Also die Mund-zu-Mund-Propaganda?«
»So kann man’s ausdrücken. Dem Mörder oder der Mörderin muss glaubhaft und sehr dramatisch vermittelt werden, dass wir in gewisser Weise Thea auferstehen lassen. Dass wir sie aus dem Grab holen und sie als Zeugin ihrer eigenen Ermordung auftreten lassen werden.«
»Dein Bauerngröstl.« Die Wirtin stellte einen Riesenteller vor Campari hin.
Er sog den Duft ein.
Bratkartoffeln, gewürfelter Tafelspitz, Zwiebeln, Knoblauch, Speck, ein bisserl Kümmel, darüber zwei Spiegeleier und daneben der Krautsalat.
»Und für dich die Spinatknödel.«
Die Soße duftete herrlich nach frischen Pfifferlingen.
»Mahlzeit!«
Die Freundlichste war die Wirtin nicht.
»Die Täterin wird neugierig werden«, sagte Campari mit vollem Mund. »Und nervös vor allem. Du musst dafür sorgen, dass jeder, der am frisch ausgehobenen Grab auftaucht, gefilmt oder fotografiert wird.«
Campari, in seiner Gier nach Gröstl, verschluckte sich. Er hielt sich beide Hände vor den Mund und hustete sich den Magen aus dem Hals.
Fritzi aß gesittet immer nur ein Gäbelchen voll vom Knödel.
»Verstehst?«, setzte Campari seine Erklärung nach dem Anfall fort. »Du musst alles und jeden filmen. Unsere Person könnte dabei sein. Ich bin sogar überzeugt davon, dass sie unter den Neugierigen sein wird, die sich das nicht entgehen lassen wollen.«
»Habe verstanden«, sagte Fritzi. Sie fand Gefallen an der Sache. »Den Täter … die Täterin wird die Frage bewegen, in welchem Zustand sich die Leiche befindet. Und wenn wir dann verlautbaren lassen, wie zufrieden wir mit unseren Untersuchungen sind, wird es sie weiter an den Rand des Abgrunds treiben.«
»Genau. Und gleichzeitig wird er oder sie sich mehr und mehr zurückziehen, zum Einzelgänger werden und spürbar unsicherer. Er wird sich von der Gemeinschaft abkapseln.«
Ihre Köpfe fuhren herum.
Pater Timo – lang, hager, schwarz – stand vor ihnen und ließ den Pferdeschwanz bedächtig durch die Finger gleiten.
»Nix für ungut«, sagte er. »Ich hab die Unterhaltung unfreiwillig mithören müssen.« Seine Augen funkelten verdächtig. »Ist ja eine spannende Sache, die ihr beide da unternehmt. Man könnte auch den Brunnerbeck, den Embacher oder die Heidi befragen, ob irgendwelche Stammkunden eine erkennbare Veränderung in ihrem Verhalten zeigen.« Er warf einen scheuen Blick auf den Bürgermeister. »Oder?«
Campari grummelte leise vor sich hin. Was sollte er davon halten, dass sich nun schon der Dorfpater in seine Ermittlungen einschaltete? Was außer seinem lieben Herrn Jesus hatte er denn schon zu bieten? Er wandte sich wieder an Fritzi Gernot. Den Pater ließ er unbeachtet.
»In der Zeitung und möglichst auch im Internet sollte ein Artikel erscheinen – er könnte auch von mir stammen –, der sich sehr entschlossen liest. Wir sollten darin der Täterin sagen, dass wir wissen, was sie durchmacht. Dass sie ja im Grunde gar nicht morden wollte, und wir sollten auch darauf hinweisen, dass uns klar ist, wie hart es ist, diese Last und Verantwortung auf ihren Schultern zu tragen.«
Pater Timo hatte auf einem freien Stuhl Platz genommen. Während er aufmerksam zuhörte, fixierte sein Blick eine gerahmte Unter-Glas-Schrift an der Wand. Er tat so, als beschäftige er sich mit dem Studieren des Textes, während er die Informationen verarbeitete, die Campari hinter ihm ausspuckte. Er verschränkte die Arme hinter dem Rücken und versuchte, sich in zwei Richtungen zu konzentrieren. Er las:
Mit dieser Kindermützen-Strickanleitung erfahrt ihr, welchen wichtigen Punkten ihr Beachtung schenken solltet, damit euer Werk auch ein voller Erfolg für unsere kleinen Erdenbürger wird.
Es war das Strickrezept seiner Schwester für den Weihnachtsbasar. Sie hatte ihm nicht verraten, dass außer ihr noch andere an den Wollmützen für Kinder arbeiteten oder dazu aufgerufen waren. Denn sie selbst strickte pausenlos und in allen Farben und Formen.
Man schlägt zwanzig Maschen an und strickt einige Reihen im Rippenmuster, also
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