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Kirschroter Sommer (German Edition)

Kirschroter Sommer (German Edition)

Titel: Kirschroter Sommer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carina Bartsch
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noch nicht. Und vielleicht wollte ich das auch gar nicht wissen.
    In leisen Tönen drang das Lied »Give in to me« von Takida an meine Ohren und schien meine Gedanken mit sich zu nehmen. Mehr und mehr verschwamm die Realität um mich herum und die Bilder aus unserer gemeinsamen Vergangenheit wurden klarer, rauschten förmlich an meinem inneren Auge vorbei. Doch im Gegensatz zu sonst versuchte ich sie nicht zu verdrängen, sondern ließ mich von ihnen einnehmen …

KAPITEL 15
    Damals und Heute
    Komischerweise konnte ich mich noch gut an unsere allererste Begegnung erinnern. Ich musste ungefähr vier oder fünf Jahre alt gewesen sein, als ich zum ersten Mal bei den Schwarz‘ zu Hause war …
    Alena begrüßte mich freundlich an der Tür und brachte mich nach oben in das Zimmer ihrer Tochter. Alex saß Barbie spielend auf dem Boden, während neben ihr der etwas ältere Elyas kniete – die Haare verwuschelt, in den Händen ebenfalls eine Barbie haltend. Als ich eintrat, starrte er mich mit großen türkisgrünen Augen an.
    »Hihi«, kicherte ich und deutete mit dem Finger auf ihn. »Du bist ein Junge und spielst mit Barbies!«
    Elyas presste die Lippen zusammen und seine Augen begannen böse zu funkeln. Er schnaubte, dann stand er auf, lief auf mich zu und haute mir mit der Barbie auf den Kopf.
    Das Drama war perfekt: Ich heulte, weil ich die Barbie auf den Kopf bekommen hatte, Alex heulte, weil ihre Barbie dabei den Kopf verlor, und Elyas heulte, weil Alena ihn schimpfte und in sein Zimmer schickte.
    Ein Schmunzeln schlich sich über meine Lippen. Diese Situation lag nun schon so lange zurück und trotzdem hatte ich sie immer noch bildlich vor Augen.
    Erst viel später hatte ich erfahren, dass er von Alex zum Barbie spielen gezwungen worden war und deswegen so sauer auf meine kleine Bemerkung reagiert hatte.
    Nach diesem Vorfall fanden Elyas und ich uns für eine ganze Weile ziemlich doof, doch irgendwann gelang es uns, die Startschwierigkeiten zu überwinden und wir freundeten uns an. Zu dritt unternahmen wir viel, streiften täglich durch die umliegenden Wälder von Neustadt und konnten uns sogar stolze Besitzer eines eigenen Baumhauses nennen.
    Ab einem gewissen Alter jedoch fand es Alex auf einmal blöd, sich die Klamotten schmutzig zu machen, und auch wenn das weder Elyas noch ich nachvollziehen konnten, löste sich unser kleines Dreierteam langsam aber sicher wieder auf. Wir verstanden uns zwar weiterhin gut, unsere Streifzüge aber blieben aus.
    Es dauerte noch Jahre, bis sich meine Gefühle für ihn veränderten.
    Dazu sollte man erwähnen, dass der Elyas von damals mit dem von heute nicht mehr viel gemeinsam hatte. Früher war Elyas ein Einzelgänger, scheu und zurückhaltend gewesen, hatte keine Freunde gehabt, in seiner Freizeit fast nur Bücher gelesen, viel für die Schule gelernt, und fast den ganzen Tag damit zugebracht, Klavier zu spielen. Er war genau der brave Junge gewesen, den sich eine jede Mutter wünschte. Trotzdem hatte ich ihn nie als Muttersöhnchen empfunden. Im Gegenteil, ich hatte nie verstanden, warum nicht die ganze Schule mit ihm befreundet war.
    Es gab keinen besonderen Zwischenfall, zumindest keinen, an den ich mich erinnern konnte, aber irgendwann bemerkte ich, dass Elyas mehr als nur Alex‘ Bruder für mich wurde. Ich war vierzehn und er fünfzehn Jahre alt, als ich anfing, ständig zu hoffen, ihm bei einem Besuch im großen Haus der Schwarz‘ über den Weg zu laufen. Trat dies dann ein – für gewöhnlich im Flur oder beim Abendessen – stammelte ich nur den allergrößten Blödsinn. Eigentlich, so war ich mir sicher, musste er mich für absolut bescheuert halten. Doch dem war komischerweise nicht so. Zumindest, wenn ich seinem zauberhaften Lächeln glaubte, das er mir bei jeder Begegnung schenkte.
    Trotzdem war ich nicht so dumm, mir auch nur den Hauch einer Chance bei ihm auszurechnen. Schon damals war sein Gesicht unter tausenden herausgestochen und er war der netteste und intelligenteste Junge, den ich kannte. Warum hätte ausgerechnet ich unscheinbares, typisches Kleinstadt-Mädchen sein Interesse wecken sollen?
    Aus diesem Grund gestand ich ihm nie, was ich für ihn empfand. Nicht einmal Alex‘ weihte ich in mein Geheimnis ein. All meinen Kummer fraß ich in mich hinein und hoffte, dass die Gefühle sich eines Tages in Luft auflösen würden.
    Heute hatte ich für meine eigene Naivität nur noch ein müdes Lächeln übrig. Denn natürlich lösten sich die Gefühle

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