Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kirschroter Sommer (German Edition)

Kirschroter Sommer (German Edition)

Titel: Kirschroter Sommer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carina Bartsch
Vom Netzwerk:
was denkst du?«, durchbrach er nach einer Ewigkeit die Stille.
    »Keine Ahnung«, sagte ich.
    »Du musst doch wissen, an was du denkst«, erwiderte er ruhig.
    »Als würde dich das ernsthaft interessieren …«
    »Ich hätte nicht gefragt, wenn es mich nicht interessieren würde, Sturkopf.«
    Ohne hinzusehen, wusste ich, dass er grinste.
    Sollte ich ihm wirklich erzählen, worum sich meine Gedanken drehten? Wahrscheinlich würde er sich doch nur über mich lustig machen. »Du würdest es nicht verstehen«, sagte ich.
    »Was macht dich so sicher? Gib mir eine Chance und ich werde es versuchen.«
    Ich seufzte. »Ich denke über das Universum nach. Über den Begriff ›Unendlichkeit‹ und was er bedeutet.«
    Es vergingen einige Sekunden, ehe er reagierte. »Interessant«, sagte er. »Erzähl weiter.«
    »Da gibt es nicht viel zu erzählen, es sind nur ein paar Fragen, die mir jedes Mal durch den Kopf gehen, wenn ich in den Himmel sehe.«
    »Was für Fragen?«
    Ich sog tief Luft ein, weil es nicht gerade leicht in Worte zu fassen war. Außerdem konnte ich mir nicht erklären, weshalb ich es überhaupt versuchte, anstelle einfach den Mund zu halten.
    »Nun ja«, setzte ich an. »Ich frage mich, was Unendlichkeit bedeutet. Irgendwie geht dieser Begriff nicht in meinen Kopf … Unendlich …
    »Man sagt es so daher, aber was es wirklich heißt, kann man sich nicht vorstellen.
    »Und wenn ich so hochsehe, dann wird mir klar, was für ein unbedeutender Teil doch die Erde ist, wie klein im Vergleich zum Universum. Und wie unwichtig ein einzelnes Leben auf diesem Planeten ist.
    »Man spinnt sich seine Wünsche und Träume zusammen, aber eigentlich bedeuten sie nichts … Sie sind völlig belanglos, genau wie der Mensch selbst. Im Vergleich zum Ganzen ist eine einzelne Existenz nicht mal erwähnenswert.«
    Mein Blick wanderte von Lichtpunkt zu Lichtpunkt am Firmament und verlor sich schließlich im Dunklen der Unendlichkeit. »Irgendwie ist das unerträglich frustrierend, aber auf der anderen Seite fasziniert es mich jedes Mal aufs Neue.« Ich hielt kurz inne, ehe ich weiter sprach. »Hast du dich auch schon mal gefragt, wo sich das Universum befindet? Schließlich muss es ja irgendwo sein … Also, was ist dahinter?« Ich zuckte mit den Schultern. »Wenn man nicht an Gott glaubt, dann sind auf einmal so viele Fragen offen. Man kommt von einer zur nächsten, ohne dabei ein Ende, geschweige denn eine Antwort zu finden.«
    Damit schloss ich, und obwohl das die absolute Kurzfassung gewesen war, war es doch ausführlicher geworden, als ich es eigentlich gewollt hatte. Ich mochte dieses Thema und hätte noch Stunden so weiter philosophieren können, aber für meine Verhältnisse hatte ich Elyas mehr als genug von meiner Gedankenwelt offenbart.
    Vorsichtig schielte ich in seine Richtung, weil keinerlei Reaktion von ihm kam. Er starrte aus dem Fenster und schien völlig in sich versunken zu sein. Als er nach ein paar Minuten immer noch keinerlei Regung zeigte, begann ich mir langsam Sorgen zu machen.
    »Bist du eingeschlafen?«, fragte ich. Es hätte mich nicht gewundert, wenn ich ihn zu Tode gelangweilt hätte.
    Er zuckte ein bisschen zusammen. »Was? Nein, nein … Ich denke nur gerade über das nach, was du gesagt hast.«
    »Und du hast jetzt nicht zufällig ein paar Antworten gefunden, die mir meine Nächte ungemein erleichtern könnten?«, fragte ich ohne Hoffnung.
    »Nein, leider nicht«, lächelte er sanft. »Aber du hast es geschafft, mir meine in Zukunft zu erschweren …«
    Hatte ich Elyas mit meinem Mist tatsächlich angesteckt? Auch wenn es absolut unvorstellbar war, machte es tatsächlich den Anschein.
    Er schwieg weiterhin und als ich geraume Zeit später zur Uhr schielte, zeigte sie mir 00:45 Uhr an. Mein letzter Bus würde in genau zehn Minuten abfahren. Eigentlich hätte ich hektisch aufspringen und nach draußen rennen müssen, doch ich bewegte mich keinen Millimeter.
    Ich hätte mir einreden können, dass meine Beine vom Kiffen zu müde geworden waren und ich einfach zu faul war aufzustehen. Oder dass ich Angst hatte, Alex und Sebastian zu stören, wenn ich jetzt plötzlich durchs Wohnzimmer stürmte. Aber wenn ich tief in mich hinein hörte, dann musste ich mir eingestehen, dass das nur die halbe Wahrheit war.
    Auf eine seltsame Art und Weise gefiel es mir, mit Elyas im Bett zu liegen, mit ihm ausnahmsweise ernsthafte Gespräche zu führen oder mit ihm zu schweigen.
    Was ich davon halten sollte, wusste ich selbst

Weitere Kostenlose Bücher