Kirschroter Sommer (German Edition)
nicht auf. Sie wurden von Tag zu Tag stärker.
Mit vierzehn Jahren machte ich also zum ersten Mal die Erfahrung, dass Liebe wirklich scheiße sein konnte.
Und diese Erfahrung sollte von sehr langer Dauer sein, denn zwei Jahre später war es immer noch sein Gesicht, das ich sah, wenn ich die Augen schloss. Sobald er mir gegenüberstand, schienen meine Knie mich nicht mehr tragen zu können und die Umwelt um mich herum war vergessen. Sprach er mich an, so fehlte mir die Luft für eine Antwort, und berührte er mich zufällig, so begann meine Haut darunter zu brennen. Auch wenn es nur sehr wenige Berührungen zwischen uns gab, hatte ich das Gefühl trotzdem nicht vergessen.
Zu jener Zeit wurden unsere zufälligen Begegnungen immer seltener, auch wenn wir uns nach wie vor gern unterhielten, wenn wir uns trafen. Elyas fand Freunde und veränderte sich.
Bis dahin hatte ich ihn noch nie mit einem anderen Mädchen gesehen. Insgeheim war ich froh darüber, weil es mir das Herz gebrochen hätte, doch ich verstand es nicht. In meinen Augen hätten ihm alle Mädchen zu Füßen liegen müssen.
Seine Freunde dagegen waren deutlich weniger zurückhaltend und ließen keine Gelegenheit zum Rummachen aus. Ich mochte seine Freunde nicht. Am wenigsten diesen Kevin. Ich hatte nie verstanden, was Elyas an ihm fand, war er doch das komplette Gegenteil von ihm. Kevin war ein typischer Prolet ohne Hirn und Verstand, der mit seinen damals siebzehn Jahren nur Ficken, Saufen und jede Menge Unfug im Kopf hatte.
Nicht nur ich hatte Probleme mit ihm, sondern er auch offenbar welche mit mir. Das verrieten seine abschätzigen Blicke aus der Ferne, wenn ich mich mit Elyas unterhielt. Und als ich eines Tages über den Pausenhof lief, musste ich mir unfreiwillig mit anhören, wie Kevin Elyas seine Meinung über mich offenbarte.
»Was quatscht du nur immer wieder mit diesem dämlichen Mädchen? Ist die dir nicht peinlich?«
Kevin hatte meinen Namen nicht erwähnen müssen, denn es war offensichtlich, von wem er sprach. Es war nicht nur was er sagte, es war wie er es sagte.
Obwohl ich Kevins Beleidigungen gewöhnt war und eigentlich nie viel darauf gab, schaffte er es in diesem Moment, mich zu verletzen. Vielleicht deswegen, weil er Recht hatte. Unsanft verdeutlichte er mir damit, dass ich in einer ganz anderen Liga als Elyas spielte und niemals auch nur den leisesten Hauch einer Chance bei ihm hatte. Mein Kopf wusste das schon immer, nur mein Herz war so dumm, sich an einen dünnen Strohhalm zu klammern. In diesem Augenblick ließ mein Herz davon ab.
Als Elyas gerade zur Antwort ansetzen wollte, fiel sein Blick plötzlich auf mich. Seine Augen weiteten sich, denn er erkannte, dass ich in Hörweite stand. Er zögerte und blickte mich eine Weile einfach nur an, ehe er schließlich auf mich zulief. Sofort sah ich gen Boden und stolperte geradeaus weiter. Selbst wenn ich gewollt hätte, wäre ich nicht in der Lage gewesen, mit ihm zu sprechen. Spätestens meine aufsteigenden Tränen hätten mich eiskalt verraten.
Ohnehin stellte ich mir andauernd die Frage, wie er noch nichts von meinen dämlichen Gefühlen bemerken konnte. So lächerlich wie ich mich manchmal in seiner Gegenwart benahm, hätte es sogar ein Blinder sehen müssen.
Ich schritt weiter und drehte mich kein einziges Mal um. Ich kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er mir trotz meiner Flucht quer über den Pausenhof folgen würde. Und noch niemals in meinem Leben war ich so froh gewesen, plötzlich in das Gesicht von Sören Nordmann zu blicken. Wie aus dem Nichts tauchte er neben mir auf – meine Rettung.
»Hi Emely.« Er lächelte mich an und ich blieb stehen.
»Hi.«
Vorsichtig lugte ich über die Schulter. Elyas hielt an, verharrte ein paar Sekunden und seine Schultern gingen merklich nach unten. Dann drehte er sich von mir weg und lief in die entgegengesetzte Richtung.
Noch eine ganze Weile sah ich ihm nach, bis mich Sören, den ich komplett vergessen hatte, wieder in die Realität holte.
»Soll ich dich nach Hause begleiten?«
Auch wenn ich viel lieber allein gewesen wäre, gab ich ihm mein Okay und nickte.
Schon seit über einem Jahr hatte sich Sören zu diesem Zeitpunkt mit anhaltender Penetranz an meine Fersen geheftet. Teilweise war er in der Schule den ganzen Tag um mich herum gewuselt, sodass es fast schon den Eindruck erweckte, er würde mich abfangen.
Es war nicht so, dass ich ihn nicht gemocht hatte, nur mochte ich ihn nicht auf die Weise, wie er es gerne
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