Kirschroter Sommer (German Edition)
immer öfter an den Elyas, in den ich mich früher verliebt hatte.
Trotzdem durfte ich nicht so naiv sein und an diese »harte Schale, weicher Kern«-Nummer glauben. Schließlich war das nichts anderes als eine frauentypische Wunschvorstellung, die mit der Realität meistens nicht übereinstimmte.
Jetzt wo ich wusste, dass Elyas damals offenbar einfach nur dumm, aber nicht unbedingt ein Arsch gewesen war, fragte ich mich, wie er sich überhaupt so wandeln konnte. Lag es vielleicht an dem falschen Umgang?
»Was ist eigentlich aus Kevin geworden?«, fragte ich. Ganz dem Anschein nach hatte ihre ehemals dicke Freundschaft die Jahre nicht überdauern können.
Elyas hielt mit dem Löffel im Mund inne und blickte starr auf den Fernseher.
»Sagen wir, unsere Wege haben sich getrennt«, entgegnete er knapp.
»Aber ihr wart doch so eng miteinander befreundet?«
»Kann man so sagen«, seufzte er. »Genau genommen bis zu dem Tag, an dem er sich dazu entschlossen hatte, meine damalige Freundin flach zu legen.«
Uh … Okay … Nicht nett.
Doch davon abgesehen beinhaltete der Satz noch eine ganz andere Information, die mindestens genauso schockierend war.
» Du hattest mal eine Freundin ?«, fragte ich.
Elyas lachte leise. »Tja, ob du‘s glaubst oder nicht …«
»Elyas Schwarz, ich bin schockiert!« Ich fasste mir ans Herz und Elyas schmunzelte. »Zu meiner Verteidigung muss ich allerdings sagen, dass es auch meine einzige ernsthafte Beziehung war. – Nur, damit du jetzt kein falsches Bild von mir bekommst.«
»Natürlich«, nickte ich amtlich.
Allmählich erholte ich mich wieder von dem »Beziehungsschock« und nahm erst jetzt so richtig die Tragweite von Elyas’ Erlebnis aus der Vergangenheit wahr. Dieses Szenario kannte man nur allzu gut aus schlechten Hollywood Produktionen – aber was, wenn es einem in der Wirklichkeit passierte? Wie furchtbar musste es sich anfühlen, von zwei Menschen, denen man eigentlich vertraut hatte, derart hintergangen zu werden? Wenn ich mir vorstellte, Alex würde so etwas tun … Ich schüttelte den Kopf. Ein absoluter Horrorgedanke.
Gut – böse Zungen würden behaupten, ich bräuchte für dieses Szenario erst mal einen Freund, was in ungefähr fünfundneunzig Prozent meiner bisherigen Lebenszeit nicht der Fall gewesen war – aber trotzdem.
Jedoch war Alex nicht Kevin. Und so traurig es klang, ich wunderte mich nicht mal, dass so etwas passiert war. Denn genauso hatte ich Kevin eingeschätzt.
»Ich hab dir immer gesagt, dass Kevin ein Arsch ist«, seufzte ich.
»Stimmt, das hast du«, erwiderte er und fixierte eine Weile den Eisbecher.
»Hat er‘s denn überlebt?«
»Wer, Kevin?«
Ich nickte und gähnte leise.
»Nur ein paar Knochenbrüche. Nichts, was nicht wieder verheilen würde«, sagte er und hörte sich nicht so an, als ob er scherzte. Eigentlich hasste ich Gewalt, verabscheute sie sogar aus tiefstem Herzen, aber wenn ich mich in Elyas’ Situation hineinversetzte, konnte ich seine Reaktion, die sicher aus dem Affekt heraus gewesen war, bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen.
»Liegt es schon länger zurück?«
»Das war damals in England. Vor fünf oder sechs Jahren also.«
Mir fiel meine Frage wieder ein, die ich mir vorhin wegen seiner Wesensänderung gestellt hatte. Und nachdem ich ein bisschen über Elyas’ Erlebnisse sinniert hatte, kam ich zu einem Entschluss.
»Klischee Ole«, gab ich bekannt.
»Was meinst du?«
»Na ja, die typische Nummer eben: Ein Mann verliebt sich, in diesem Fall du, wird verarscht und mutiert danach zu einem frauenverschleißenden und gefühllosen Blödmann.« Eigentlich war das so simpel, dass ich mich wunderte, nicht schon früher darauf gekommen zu sein.
»Ohne jetzt deine psychoanalytischen Fähigkeiten infrage stellen zu wollen«, lächelte er, »aber so einfach ist es dann doch nicht.«
»Ach nein?«
»Nein. Erstens habe ich dir schon mal gesagt, dass ich nicht gefühllos bin. Zweitens, wie ebenfalls erwähnt, räche ich mich nicht an Frauen oder dergleichen. Ganz im Gegenteil, ich mag Frauen sogar sehr gerne. Und drittens …« Er machte eine kurze Pause. »Schon mal daran gedacht, dass ich all diese Frauen in den Wind schießen würde, sobald mir die Richtige über den Weg läuft?«
Ich zog eine Augenbraue nach oben. »Gesetz dem Fall, du bindest mir keinen riesen Bären auf – was ich, ehrlich gesagt, eher vermute – und es stimmt tatsächlich, was du sagst, dann lass dir von einer weisen Frau etwas
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