Kirschroter Sommer (German Edition)
Beine an, wickelte mich in die Decke und versuchte wach zu werden.
»Hat dir schon mal jemand gesagt, wie süß du aussiehst, wenn du schläfst?«
Ich stöhnte. Es war noch viel zu früh am Morgen, um Elyas‘ Avancen ertragen zu können. »Hat dir schon mal jemand was von Privatsphäre erzählt?«, gab ich zurück. Ich wollte mir überhaupt nicht vorstellen, wie lange er womöglich schon auf dem Tisch gesessen und mich beobachtet hatte.
»Ja, durchaus. Aber es war einfach zu verlockend, den Moment auszukosten, indem du ausnahmsweise mal nicht abweisend bist …«
»Das sieht dir ähnlich, meine Wehrlosigkeit derart kaltblütig auszunützen.« Ich kniff die Augen zusammen. »Wie lange sitzt du schon da?«
Er zuckte mit den Schultern. »Eine Weile.«
Ich seufzte und war für einen unserer typischen Schlagabtäusche einfach noch zu müde. »Also entweder hole ich jetzt alles nach, was dir erspart geblieben ist, während ich geschlafen habe, oder du bist einmal in deinem Leben ein Schatz und bringst mir einen Kaffee.«
Er griff sich hinter den Rücken und holte eine dampfende Tasse hervor, die er mir anschließend überreichte. Meine Hände schlangen sich um das warme Porzellan, und mit großen Augen sah ich Elyas an. »Wow … Danke.«
Er grinste. »Das könntest du jeden Morgen haben, Schatz.«
Ich verdrehte die Augen, bevor ich von dem Kaffee probierte. Zu meiner Überraschung schmeckte er sogar äußerst gut. Nach einer Weile bemerkte ich jedoch, von Elyas‘ türkisgrünen Röntgenstrahlen beim Trinken beobachtet zu werden und schielte deswegen ständig über den Rand der Tasse hinaus. Durfte ich jetzt nicht mal mehr in Ruhe trinken?
Weil mir der Durst verging, setzte ich den Becher ab und sah Elyas böse an. Erst da fielen mir seine feuchten Haarspitzen auf und die leichte Nuance von Duschgel, die in der Luft lag.
Man konnte sagen, was man wollte, aber frisch geduschte Männer hatten einfach etwas an sich – selbst wenn der Mann Elyas hieß.
Oder gerade deswegen …
Innerlich knurrte ich über mich selbst und versuchte meine Gedanken schnell wieder zu verdrängen. Als ich nach einem neuen Thema suchte, worum ich diese kreisen lassen könnte, fiel mir plötzlich etwas Entscheidendes auf. »Sag mal, wieso springt Alex eigentlich nicht wie ein Gummiball durch die Gegend?«
»Genau dieselbe Frage habe ich mir vorhin auch gestellt.«
»Und?«
»Ich habe keine Ahnung, wo sie ist. Ihr Zimmer ist leer und ihr Bett unberührt.«
»Was?«
»Keine Angst, sie ist bei Sebastian in guten Händen«, sagte er. »Du glaubst doch nicht, ich würde meine Schwester jemandem überlassen, dem ich nicht hundertprozentig vertraue?«
Nein, das würde er sicher nicht tun. Und abgesehen davon würde ich Sebastian, so wie ich ihn kennen gelernt hatte, nichts Böses unterstellen.
»Trotzdem seltsam …«, überlegte ich laut.
Doch unsere Frage sollte schon sehr bald beantwortet werden. Kaum war Stille zwischen uns eingekehrt, öffnete sich die Haustür. Mit einem verträumten Blick und einem seligen Lächeln auf den Lippen kam Alex zum Vorschein, wohlgemerkt in den Klamotten von gestern. Sie schloss die Tür hinter sich und spazierte durch den Wohnraum. Wobei die Bezeichnung »schweben« besser gepasst hätte, denn ganz dem Anschein nach befand sie sich in einer Art Glücksbärchi -Paralleluniversum, von dem aus sie uns überhaupt nicht wahrnahm.
»Alex?«, fragte ich, als sie wie hypnotisiert an uns vorbei schreiten wollte.
» Oh! … Hallo«, reagierte sie in einem so ruhigen und klangvollen Ton, dass ich fast schon ein bisschen Angst bekam. Was um Gottes Willen war mit ihr passiert?
Ohne auch nur einen Atemzug lang ihren – fast schon widerlich – glücklichen Gesichtsausdruck abzulegen, steuerte sie elfengleich auf uns zu und ließ sich mit einem zufriedenen Seufzen auf dem Sofa nieder. Elyas und ich warfen uns Blicke zu.
»Hat er dir Drogen gegeben?«, wollte ich wissen und bekam anstelle einer Antwort nur ein noch breiteres Lächeln.
»Ich tippe auf Morphium, Valium oder schwere Antidepressiva«, wandte ich mich an Elyas, der offenbar die gleiche Vermutung hegte. »Kannst du mal ihre Pupillen überprüfen?«
»Keine Drogen …«, hauchte Alex. »Einfach nur glücklich …«
»Ich kenne Alex, wenn sie glücklich ist«, sagte ich. »Das Letzte, was sie tun würde, wäre seelenruhig hier zu sitzen und dabei auch noch blöd zu grinsen! Also, wer oder was auch immer du bist: Wenn du Alex gefressen hast, dann
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