Kirschroter Sommer (German Edition)
was spricht dagegen, wenn ich ihn auslebe? Ich tue schließlich keinem weh damit und auch wenn du mir sicher etwas anderes unterstellst, mache ich niemandem falsche Hoffnungen. Die Frauen wissen, worauf sie sich einlassen; ich kläre das zuvor.«
Um ehrlich zu sein fiel mir kein wirkliches Gegenargument ein, obwohl ich rein aus Prinzip sehr gerne eins gehabt hätte. In gewisser Weise war es logisch, was er sagte, und auch wenn ich ihn trotzdem kein Stück sympathischer fand, konnte ich seine Bettgeschichten nun nicht mehr so leicht verurteilen wie zuvor. Gesetz dem Fall, es stimmte überhaupt, dass es für beide Seiten im Vorab klar war.
»Außerdem, was du zu vergessen scheinst, liebe Emely«, sprach er weiter, »ich liebe meine Familie. Das ist ebenfalls eine Form von Liebe, auch wenn du darauf wohl nicht angespielt hast. In meinen Augen wird der Begriff ›Liebe‹ sowieso viel zu sehr auf zwei Menschen reduziert, zwischen denen eine sexuelle Anziehungskraft besteht. Aber die Gefühle, die man für Freunde und Familie hegt, sind nichts anderes. Nur mit dem Unterschied, dass man nicht mit ihnen schlafen möchte – zumindest nicht im Normalfall.« Er grinste.
Elyas hatte so verdammt Recht, dass es wehtat. Und ich ärgerte mich fast schon darüber, es aus seinem Mund zu hören.
»Und sollte dir das immer noch nicht reichen«, lächelte er in mein nachdenkliches Gesicht, »dann lass mich dir noch eine Frage stellen: Könnte ein gefühlskalter Mensch mit Alex zusammenleben, ohne sie bereits umgebracht zu haben?«
Uh, das war definitiv das böseste Argument von allen und es saß wirklich tief bei mir.
»Siehst du?« Er schmunzelte. »Und zu deinem anderen Vorwurf kann ich dir nur sagen, dass ich nicht oberflächlich bin. Ich beurteile Menschen nicht nach ihrem Aussehen oder ihren Klamotten, ich beurteile lediglich, ob ich mit ihnen schlafen würde oder nicht.«
Er schloss, und ich blickte eine Weile angestrengt in das Spülbecken.
»Und? Was meinst du?«, durchbrach er die Stille.
Ich holte tief Luft. »Um ehrlich zu sein finde ich deine Argumentation – von der ersten mal abgesehen – durchaus plausibel. Was jetzt allerdings nicht heißt, dass ich dir das ohne weiteres abnehme. Aber selbst wenn du ernst meinst, was du sagst … Ich weiß nicht.« Ich zuckte mit den Schultern. »Irgendwie kann ich dich trotzdem nicht leiden.«
Er sah mich für einen Moment an und seufzte schließlich. »Oh Mann, Schatz, mit dir habe ich noch ein gewaltiges Stück Arbeit vor mir.«
Ich verdunkelte meinen Blick und gab grummelnde Laute von mir, ehe ich mich wieder den Gläsern widmete. Mir war nicht entgangen, dass er meine dezente Anspielung auf seine Gefühlslosigkeit von damals vollkommen ignoriert hatte. Wahrscheinlich hatte selbst er keine passende Antwort darauf gefunden. Obwohl es doch eigentlich der perfekte Moment gewesen wäre, mir eine vor Schleim nur so triefende Entschuldigung unterzujubeln. Wenn ich ihn auch nicht mochte, so zweifelte ich dennoch nicht an, dass Elyas ein ziemlich pfiffiges Kerlchen war. Und diese Altlasten, wenn auch nur geheuchelt, zu beseitigen, wäre ein typischer und geschickter Schachzug von ihm gewesen. Mich wunderte es, dass er sich diese Vorlage hatte entgehen lassen.
Elyas blieb hartnäckig sitzen und nippte wie gehabt nur dürftig an seiner Cola. Ich hingegen ging mit Vorliebe allen Arbeiten nach, die sich möglichst weit weg von der Theke erledigen ließen. Um ein paar sinnlose Gespräche kam ich aber leider trotzdem nicht herum. Wobei »Gespräche« an Übertreibung grenzten, vielmehr waren es Schlagabtäusche. Andauernd stellte er mir Fragen, die an Intelligenz nicht zu übertreffen waren. Was ich unter meiner Schürze trug, war zum Beispiel eine davon. Meine Antwort, dass es sich um keine Schürze, sondern um den Verband meiner Geschlechtsumwandlung handeln würde, erzielte allerdings nicht im Geringsten den gewünschten Effekt. Im Gegenteil, er amüsierte sich köstlich und fühlte sich animiert, mit seinen Spielchen weiter zu machen.
Ich stand mehr als einmal kurz davor Amok zu laufen, einzig meiner Selbstbeherrschung verdankte er es, immer noch unter den Lebenden zu verweilen. Einmal jedoch, aus reiner Verzweiflung heraus und weil ich mir nicht mehr anders zu helfen wusste, bewarf ich ihn mit einer Zitrone. Zu meinem Glück traf ich – zu meinem Pech hatte es keinerlei Wirkung.
Es lag immer noch eine halbe Stunde vor mir, bis meine Schicht zu Ende wäre und obwohl die
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