Kirschroter Sommer (German Edition)
Auf den sich dahinter befindlichen Wandregalen standen alle nur erdenklichen alkoholischen Getränke. In einer anderen Ecke gab es einen vereinzelten Billardtisch, an dem gerade aber niemand spielte. Allgemein war die Kneipe, weil es unter der Woche war, kaum besucht. Nur ein paar wenige Tische waren von jungen Leuten, die einfach nur einen Abend mit ihren Freunden verbringen wollten, besetzt.
Ich behielt meine Klamotten an und band mir lediglich eine lange schwarze Hüftschürze um, ehe ich Nicolas, den Freund meiner nymphomanen Mitbewohnerin, begrüßte und mich an die Arbeit machte. Ihm hatte ich, durch die guten Worte, die er damals beim Chef für mich eingelegt hatte, diesen Job überhaupt erst zu verdanken. Nicolas war groß gewachsen, sehr hager und dunkelhaarig. So oft, wie er bei Eva ran musste, wunderte ich mich über das Hagere allerdings zwischenzeitlich nicht mehr.
Während ich die Gäste bediente, hantierte Nicolas größtenteils in der Küche. Zwar hatten wir nur Snacks, Salate und Baguettes auf der Speisekarte stehen, aber schließlich mussten diese auch zubereitet werden. Da wenig Betrieb herrschte, hatte ich keine Mühe, den Laden allein zu schmeißen, allerdings zogen sich die Stunden dadurch heute zäh in die Länge. Die üblichen Arbeiten, die außer dem Bedienen in einer Bar anfielen, erledigten sich schnell, und so stand ich vorwiegend untätig herum oder unterhielt mich mit Nicolas, der mir hin und wieder einen Besuch abstattete. Ich spielte sogar schon mit dem Gedanken, Alex anzurufen und zu fragen, ob sie mir ein bisschen Gesellschaft leisten würde. Ich entschied mich dann aber doch dagegen, weil einmal Alex am Tag definitiv ausreichte.
Gegen 22 Uhr taten mir endgültig die Füße weh. Ich stand hinter dem Tresen und spülte Gläser ab. Nicolas war zum wiederholten Male in der Küche verschwunden und aus den Lautsprechern drang die Band Orishas mit lateinamerikanischen Rhythmen. Den ganzen Abend hatte ich das Thema beiseite geschoben, aber nun erwischte ich mich dabei, wie meine Überlegungen wieder zu Luca und der Frage wanderten, ob er inzwischen geantwortet hatte. Mann, ich war so furchtbar!
»Hey Schatz«, hörte ich da eine mir nur allzu bekannte Stimme und schreckte hoch. Als ich tatsächlich sein Gesicht erblickte, stöhnte ich auf.
»Bist du dir im Klaren darüber, dass die Stalker-Gesetze verschärft wurden?«
»Wie? Bekomme ich keinen Kuss zur Begrüßung?« Elyas lächelte und setzte sich mir gegenüber auf einen der Barhocker.
»Was willst du hier?«
»Ich war zufällig in der Gegend und plötzlich hat mir mein siebter Sinn befohlen, in diesen Laden zu gehen.« Ganz im Gegensatz zu mir schien er über diese rein zufällige Begegnung hocherfreut zu sein.
»Dein siebter Sinn?«, schnaubte ich. »Wohl eher dein drittes Bein.«
Er lachte leise und ich fragte mich, woher zum Teufel er überhaupt wusste, wo ich arbeitete. Aber woher sollte er es schon wissen? Alex … Dieses Monster, oder besser gesagt: Meine beste und zukünftig tote Freundin.
»Elyas, was willst du?«, wiederholte ich für den Fall, dass er es vorhin überhört hatte.
»Hm«, summte er und warf einen Blick auf die Getränkekarte. »Wie wäre es mit einer Cola? Ich muss noch fahren.«
Ich hätte ihn am liebsten den Hals umgedreht. Es musste doch irgendeinen Weg geben, ihn abwimmeln zu können?
»Wenn ich dir eine Cola gebe, verschwindest du dann?«
»Vielleicht?«
»Was heißt, vielleicht?«
Er grinste. »Vielleicht heißt, ich bleibe solange, bis ich ausgetrunken habe. Wenn du mir allerdings nichts ausschenkst, bleibe ich, bis deine Schicht zu Ende ist.«
»Gibt’s nicht noch eine dritte Möglichkeit?« Meine Mundwinkel zogen sich nach unten. Er dagegen strahlte wie ein Honigkuchenpferd und schüttelte den Kopf. Ich murmelte eine ganze Weile unzufrieden vor mich hin und schenkte ihm schließlich eine Cola ein, die ich ihm mit einem lauten Geräusch auf den Tresen stellte.
»Danke schön, mein Herz«, sagte er, was ich geflissentlich ignorierte. Dann widmete ich mich wieder dem Abwasch. Mit neuer Gesellschaft machte diese Arbeit doch gleich doppelt so viel Spaß. Ich brummte.
»Die Kneipe hat was«, warf er ein und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. »Und die Musik gefällt mir auch.«
»Schön für dich.«
»Nur die Tätigkeit ist nicht gerade die beste. Sind deine Finger nicht zu schade, um in dreckigen Spülwasser zu planschen?«
»Im Gegensatz zu dir «, sagte ich, »werde ich
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