Kirschroter Sommer (German Edition)
nicht von meinem Vater gesponsert, sondern muss mir mein Geld eben selbst verdienen.«
»Ich werde nicht von Ingo gesponsert.«
»Von wem denn bitte sonst? Du bist entweder die ganze Zeit unterwegs oder gehst, falls du gerade mal Lust dazu haben solltest, in die Uni. Ich habe noch nie gehört, dass du zur Arbeit musst.«
»Ich gehe auch nicht arbeiten«, lächelte er, »ich arbeite zu Hause.«
»Zu Hause?«, wiederholte ich. »Arbeitest du für eine Gay-Hotline?«
Obwohl ich ihn damit eigentlich hatte provozieren wollen, fand er es zu meinem Leidwesen auch noch lustig. Na super, Schwulenfeindlichkeit konnte ich ihm nun ebenfalls nicht mehr zum Vorwurf machen. Die meisten Männer hätten auf meine Spitze vermutlich nicht halb so souverän reagiert. Aber vielleicht war er ja selbst schwul? Hm, interessante Theorie, doch ich kam leider nicht dazu, sie genauer zu durchleuchten, weil er mir mit seiner Antwort dazwischenfunkte.
»Ersteres ja – Zweiteres nein. Obwohl das bestimmt ein äußerst lukrativer Job wäre.« Er grinste.
»Und was machst du angeblich stattdessen?«
Er stützte die Arme auf dem Tresen ab. »Wie du bereits weißt, spiele ich Klavier. Um genau zu sein, bin ich sogar ziemlich gut darin. Ich komponiere viel und schreibe Jingles für Werbungen oder Radiosender. Manchmal auch längere Stücke, die ich an Film- oder Fernsehproduktionen verkaufe. Aber hauptsächlich lebe ich derzeit noch von den kürzeren Werken.«
Ich zog eine Augenbraue nach oben und visierte ihn. Doch selbst nach eingehender Suche fand ich in seinem Gesicht nicht den kleinsten Hinweis darauf, dass er mich auf den Arm nehmen wollte.
»Wirklich?«, fragte ich.
Er nickte. »Du kannst mir ruhig glauben. Ich bin keiner der großen, begnadeten Pianisten, aber mein Können reicht aus, um mir damit seit einem Jahr meinen Lebensunterhalt zu finanzieren.«
Ich sah ihn für einen Moment an und nahm diese neue, unerwartete Information erst mal hin. Wie ich sie einsortieren sollte, wusste ich noch nicht.
»Kennt man irgendetwas von dir? Vielleicht so was wie die Telekom -Melodie oder Ähnliches?«
Er lächelte und lehnte sich zurück. »Kennst du den Soundtrack zu Fluch der Karibik ?«
Meine Augen weiteten sich und ich starrte ihn an. Wer kannte nicht die berühmten und genialen Lieder zu diesem Film? Er hatte doch nicht am Ende das Bekannteste davon geschrieben? DamDamDöDöDamDam , hallte es durch meinen Kopf und ich war wie steif gefroren.
Doch plötzlich lachte er. »Ach quatsch, das war nur ein Scherz.«
Gleichzeitig entglitten mir alle Gesichtszüge, bis ich schließlich die Augen verdrehte und mich über mich selbst ärgerte. Wieso ging ich ihm nur andauernd auf den Leim?
»Es sind eher unbekannte Sachen«, fuhr er fort. »Kann gut sein, dass du zufällig schon mal was gehört hast, aber in Erinnerung wird es dir vermutlich nicht geblieben sein. Wenn du möchtest, kann ich dir gerne mal etwas vorspielen.«
»Mal sehen«, murmelte ich und lenkte meinen Blick wieder auf die Spüle. Ehrlich gesagt hatte ich aber nicht vor, auf sein Angebot zurückzukommen.
Nach einer Weile hob ein Gast den Arm und wollte zahlen. Ich schnappte mir den Geldbeutel und machte mich auf den Weg. Im Anschluss widmete ich mich wieder dem Abspülen.
Was Elyas betraf, so tat ich einfach eine ganze Zeit lang, als wäre er nicht anwesend. Zumindest nach außen hin, denn innerlich spürte ich ständig seinen Blick auf mir ruhen. Ich verstand einfach nicht, was er mit seiner dummen Glotzerei bezwecken wollte. Fakt war jedenfalls, es wurde von Mal zu Mal, wenn wir uns begegneten, schlimmer. Hatte er vielleicht schon mal in Erwägung gezogen, mir könnte das unangenehm sein? Aber wahrscheinlich tat er es genau deswegen und es gehörte genauso zu seinem ausgeprägten Plan mich zu terrorisieren, wie viele andere Dinge auch.
»Willst du mich jetzt die ganze Zeit ignorieren?«, erkundigte er sich, nachdem es wirklich schon lange still zwischen uns geworden war.
»Willst du nicht mal von deiner Cola trinken?« Ich ärgerte mich schon eine ganze Weile darüber, dass er kaum trank.
»Ach«, sagte er und grinste. »Ich habe eigentlich gar keinen Durst.«
Von dieser Dreistigkeit klappte mir der Mund auf und ich funkelte ihn so finster an, dass alles zu spät war. Doch als ich das dezente Schmunzeln bemerkte, das seine Lippen zierte, richtete ich meinen Blick frustriert zurück auf das Abspülwasser.
»Ignorierst du mich jetzt wieder?«
»Ja, so hab ich mir das
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