Kirschroter Sommer (German Edition)
dem ersten angefangen und konnte vor heute Abend nicht mit dem Lesen aufhören.
Es war genauso, wie du sagtest – man liest nicht, man taucht in eine andere Welt.
Wie kann man Gefühle, Menschen und Umgebungen nur so wunderschön und bildlich beschreiben? Allein schon die Sprache ist unglaublich, doch der Inhalt selbst übertrifft alles.
Ich war teilweise so fasziniert von einzelnen Erzählungen, dass ich erst eine ganze Weile darüber nachdenken musste, ehe ich weiterlesen konnte.
Ich bin dir wirklich mehr als dankbar für diesen Tipp und kann deine Leidenschaft nun voll und ganz nachvollziehen. Was mich jetzt natürlich brennend interessieren würde, ist die Frage, welche deine Lieblingserzählungen von ihm sind?!
Grundsätzlich haben mir alle gefallen, die ich bisher gelesen habe, doch eine war darunter, die es mir ganz besonders angetan hat: Die Geschichte der Lady Ligeia.
Auch wenn du das jetzt wahrscheinlich albern findest: Während des Lesens musste ich immerzu an dich denken. Ich habe mich gefragt, was du wohl für ein Mensch bist, wenn du solche wunderschönen und doch zugleich düsteren Geschichten liebst.
Ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass du noch viel faszinierender sein musst, als ich es mir vorgestellt habe.
Ich verspreche dir, morgen wieder ausführlicher zu antworten. Gerade eben bin ich leider auf dem Sprung, weil ich noch einen Freund besuchen will.
Ich wünsche dir noch einen schönen Abend.
Liebe Grüße und hoffentlich bis bald
Luca
Seine Zeilen hypnotisierten mich schier. So oft erklärte man jemandem etwas, versuchte lang und breit Dinge zu beschreiben, und doch blieb man am Ende meistens mit dem Gefühl zurück, dass der Gegenüber es nicht begriffen hatte. Dieser Moment war anders. Es war einer der so rar gestreuten, in dem ich mich für die Dauer eines Atemzuges leicht wie eine Feder und in meiner tiefsten Seele verstanden fühlte.
Lieber Luca,
ich kann dir nicht sagen, wie gerührt ich bin, dass du tatsächlich in eine Buchhandlung gegangen bist und dir alle Bände gekauft hast. Aus unerfindlichen Gründen scheinst du dich ernsthaft für mein Innenleben zu interessieren, was für einen Mann ziemlich ungewöhnlich ist. Mir fehlen gerade ein bisschen die Worte. (Außerdem stellt sich mir die Frage, ob du vielleicht in Wirklichkeit eine Frau bist und mich nur verarschen willst … Aber das nur am Rande.)
Endgültig aus allen Wolken gefallen bin ich jedoch, als du ausgerechnet die Geschichte der Lady Ligeia erwähntest. Denn – und du wirst es wohl nicht glauben – das ist meine absolute Lieblingsgeschichte.
Wenn du davon fasziniert bist, dann kann ich das nachempfinden wie kein zweiter. Mir ging und geht es genauso, selbst wenn ich sie zum zwanzigsten Mal lese.
Ich bin immer noch sprachlos, und so langsam, Freundchen, wirst du mir richtig unheimlich.
Nichtsdestotrotz werde ich dir vorerst keine meiner anderen Lieblingserzählungen von Poe verraten. Ich warte lieber gespannt darauf, welche dir als Nächstes heraussticht. Mal sehen, wie viele Gemeinsamkeiten wir noch haben.
Was deine Wünsche betrifft, so hatte ich tatsächlich einen schönen Abend. Wobei »schön« nicht ganz zutreffend ist, »unglaublich« beschreibt es eher.
Ich habe die Möglichkeit gehabt, mir einen lang ersehnten Lebenstraum zu erfüllen. Ich kann es selbst noch nicht realisieren, aber ich bin einen 1967er Mustang Shelby GT gefahren!
Du hast nicht zufällig auch einen? – Okay, wollen wir mal nicht übertreiben. Die vielen Gemeinsamkeiten, die wir bereits gefunden haben, reichen schließlich aus. Meinetwegen kannst du auch einen BMW oder eine andere Schrottkiste fahren.
(Und sag mir jetzt bitte nicht, dass du tatsächlich einen BMW fährst!)
Lieber Luca, ich wünsche dir eine gute Nacht und schöne Träume. Letztere ganz besonders!
Ich werde jetzt auch ins Bett gehen und hoffe inständig, dass ich einschlafen kann. Doch so aufgekratzt wie ich bin, wage ich das noch zu bezweifeln …
Bis bald
Emely
Blöd grinsend klappte ich meinen Laptop zu und machte mich auf den Weg ins Bad. Ich putzte mir die Zähne, zog meinen BH aus und schlüpfte anschließend in ein langes T-Shirt. Auf Strümpfen und mit nackten Beinen lief ich zu meinem Bett und kuschelte mich gemütlich unter die Decke.
Ich war gerade dabei, die Fahrt mit dem Mustang und die E-Mail von Luca noch einmal gedanklich aufleben zu lassen, als mein Handy klingelte. Damit einher gingen sofort grummelnde Laute von Eva, und noch ehe sie
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