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Kirschroter Sommer (German Edition)

Kirschroter Sommer (German Edition)

Titel: Kirschroter Sommer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carina Bartsch
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überleben?«, fragte ich wie im Delirium.
    »Es sieht sehr gut aus. Sie wird durchkommen«, lächelte Elyas und machte mich damit zwar zum fassungslosesten, aber gleichzeitig glücklichsten Menschen der Welt. Ich schüttelte den Kopf und ein Lächeln nahm von mir Besitz. Tief atmete ich immer wieder durch und vergrub mein Gesicht schließlich erleichtert in den Händen. Ich würde meine Mutter wieder sehen. Ich hatte sie nicht verloren.
    Ich spürte, wie mir Elyas‘ die Hand auf den Rücken legte und mir den endgültigen Beweis lieferte, dass ich mich wahrhaftig nicht verhört hatte.
    »Ingo wird unten auf dich warten«, sagte er nach einer Weile. Und als ich daraufhin aufblickte, erkannte ich, dass wir bereits den großen Parkplatz des Klinikums überquerten. Genau wie versprochen konnte ich Ingo schon von weitem vor dem Haupteingang stehen sehen. Womit hatte ich es nur verdient, dass sich alle so rührend um mich kümmerten? Ich fand keine Erklärung, aber ich würde bis in alle Ewigkeit dankbar dafür sein.
    Der Wagen wurde langsamer, bis er vor dem Eingang endgültig zum Stehen kam. Ingo lief uns sogleich entgegen und öffnete mir die Tür. Er griff nach meiner Hand, zog mich zu sich heraus und nahm mich in den Arm. »Du musst total unter Schock stehen, Liebes«, sagte er und hielt meinen Kopf.
    »Entschuldige, du willst bestimmt sofort zu deiner Mutter«, löste er sich abrupt und musterte mich. Ich nickte zustimmend, weil ich immer noch zu keiner anderen Reaktion fähig war.
    Ingo beugte sich in die geöffnete Autotür, um mit Elyas zu sprechen, während ich an den großen Mauern des Klinik-Gebäudes empor schaute. Was würde mich dahinter erwarten? Ich welchem Zustand würde meine Mutter sich befinden? Wie stark waren ihre Verletzungen? Würden sie sichtbar sein?
    »Vielen Dank, dass du sie hergebracht hast«, hörte ich Ingo sagen. »Alena wartet schon auf dich; ich habe gerade mit ihr telefoniert und ihr die guten Neuigkeiten überbracht. Sie hat dir dein altes Bett überzogen. Es ist besser, du schläfst dich erst aus, bevor du wieder zurück fährst.«
    »Tschüss«, sagte Ingo schließlich und klopfte auf das Autodach. Dann legte er mir die Hand auf den Rücken und geleitete mich in die Klinik. Erst als das Geräusch des Motors hinter mir ertönte, drehte ich mich um. Doch der Wagen hatte sich bereits in Bewegung gesetzt. »Elyas …« Ich schlug mir die Hand vor den Mund. »Ich habe mich überhaupt nicht bedankt.«
    Ingo fasste an meine Schulter und führte mich weiter. »Mach dir darüber keine Gedanken; er wird das sicher verstehen. Du wirst noch eine andere Gelegenheit finden, dich bei ihm bedanken zu können.«
    Nein, es war nicht richtig, einfach ausgestiegen zu sein, ohne ein kleines »Danke« – auch wenn das sowieso viel zu wenig gewesen wäre. Doch als wir den Aufzug erreichten und die Türen sich öffneten, war es, als legte sich ein Schalter in meinem Kopf um. Ich konnte nur noch an meine Eltern denken.
    Ich trug einen dieser grünen Kittel, als wir durch den Flur der Intensivstation wandelten. Die kahlen Wände, der sterile Boden, der Geruch von Desinfektionsmitteln – all das ließ ein mulmiges Gefühl in mir aufkommen. Dies war ein Ort, den niemand gerne freiwillig betrat.
    Nachdem wir ungefähr den halben Gang passiert hatten, öffnete Ingo eine Zimmertür. So wie er mich in diesem Augenblick ansah, blieb kein Zweifel, dass sich dahinter meine Mom verbarg.
    Ich atmete tief durch und folgte ihm ins Zimmer. Dann sah ich sie. Meine Mutter.
    Eine ganze Weile stand ich nur da und starrte sie an, während das durchdringende und rhythmische Piepen des EKGs durch den Raum hallte. Beinah hypnotisch. Ihr Körper war von Schläuchen übersät. Manche endeten in Geräten, manche in kleinen Gefäßen und wieder andere in Infusionen. Ihre Arme lagen dicht neben ihrem Körper, ihre Augen waren geschlossen und ihr Gesicht blass wie Milch.
    Langsam schritt ich auf das Bett zu und griff nach ihrer Hand. Ganz vorsichtig, so als würde ich sie bei zu viel Kraft zerdrücken. Mama sah so furchtbar zerbrechlich aus. Noch niemals zuvor in meinem Leben hatte ich sie so gesehen. Ihr Anblick brannte sich wie glühendes Eisen in meine Iris.
    »Carla hatte riesengroßes Glück gehabt«, begann Ingo, der sich ans Fußende des Bettes gestellt hatte. Ohne den Blick von meiner Mutter abzuwenden, hörte ich ihm zu.
    »Ein anderer Autofahrer ist von der Spur abgekommen und frontal in die Beifahrerseite deiner Eltern

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