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Kishons beste Familiengeschichten.

Kishons beste Familiengeschichten.

Titel: Kishons beste Familiengeschichten. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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mit Frau Golda Arje, unserer Nachbarin. Ihr Mann ist Verkehrspilot, und sie bekommt zweimal im Jahr Freiflugtickets. Wenn wir sie richtig verstanden haben, bringt sie ihren Kindern die Nachricht jeweils stufenweise bei, beschreibt ihnen die Schönheiten der Länder, die sie überfliegen wird, und kommt mit vielen Fotos nach Hause. So nimmt das Kind an der Freude der Eltern teil, ja es hat beinahe das Gefühl, die Reise miterlebt zu haben. Ein klein wenig Behutsamkeit und Verständnis, mehr braucht’s nicht. Noch vor hundert Jahren wären Frau Golda Arjes Kinder, wenn man ihnen gesagt hätte, daß ihre Mutti nach Amerika geflogen ist, in hysterische Krämpfe verfallen oder wären Taschendiebe geworden. Heute, dank der Psychoanalyse und dem internationalen Flugverkehr, finden sie sich mühelos mit dem Unvermeidlichen ab.
    Wir setzten uns mit Amir zusammen. Wir wollten offen mit ihm reden, von Mann zu Mann.
    »Weißt du, Amirlein«, begann meine Frau, »es gibt so hohe Berge in – «
    »Nicht wegfahren!« Amir stieß einen schrillen Schrei aus. »Mami, Papi nicht wegfahren! Amir nicht allein lassen! Keine Berge! Nicht fahren!«
    Tränen strömten über seine zarten Wangen, angstbebend preßte sich sein kleiner Kinderkörper gegen meine Knie.
    »Wir fahren nicht weg!« Beinahe gleichzeitig sprachen wir beide es aus, gefaßt, tröstend, endgültig. Die Schönheiten der Schweiz und Italiens zusammengenommen rechtfertigen keine kleinste Träne in unseres Lieblings blauen Augen. Sein Lächeln gilt uns mehr als jedes Alpenglühen. Wir bleiben zu Hause. Wenn das Kind etwas älter ist, sechzehn oder zwanzig, wird man weitersehen. Damit schien das Problem gelöst.
    Leider trat eine unvorhergesehene Komplikation auf: Am nächsten Morgen beschlossen wir, trotzdem zu fahren. Wir lieben unseren Sohn Amir, wir lieben ihn über alles, aber wir lieben auch Auslandsreisen sehr. Wir werden uns von dem kleinen Unhold nicht um jedes Vergnügen bringen lassen.
    In unserem Bekanntenkreis gibt es eine geschulte Kinderpsychologin. An sie wandten wir uns und legten ihr die delikate Situation genau auseinander.
    »Ihr habt einen schweren Fehler gemacht«, bekamen wir zu hören. »Man darf ein Kind nicht anlügen, sonst trägt es seelischen Schaden davon. Ihr müßt ihm die Wahrheit sagen. Und unter gar keinen Umständen dürft ihr heimlich die Koffer packen. Im Gegenteil, der Kleine muß euch dabei zuschauen. Er darf nicht das Gefühl haben, daß ihr ihm davonlaufen wollt…«
    Zu Hause angekommen, holten wir die beiden großen Koffer vom Dachboden, klappten sie auf und riefen Amir ins Zimmer.
    »Amir«, sagte ich geradeheraus und mit klarer, kräftiger Stimme, »Mami und Papi – «
    »Nicht wegfahren!« brüllte Amir. »Amir liebt Mami und Papi! Amir nicht ohne Mami und Papi lassen! Nicht wegfahren!«
    Das Kind war ein einziges, großes Zittern. Seine Augen schwammen in Tränen, seine Nase tropfte, seine Arme flatterten in hilflosem Schrecken durch die Luft. Er stand unmittelbar vor einem nie wieder gutzumachenden Schock, der kleine Amir. Nein, das durfte nicht geschehen. Wir nahmen ihn in die Arme, wir herzten und kosten ihn: »Mami und Papi fahren nicht weg… warum glaubt Amir, daß Mami und Papi wegfahren… Mami und Papi haben Koffer heruntergenommen und nachgeschaut, ob vielleicht Spielzeug für Amir drinnen… Mami und Papi bleiben zu Hause… immer… ganzes Leben… nie wegfahren… immer nur Amir… nichts als Amir… Europa pfui…«
    Aber diesmal war Amirs seelische Erschütterung schon zu groß. Immer wieder klammerte er sich an mich, in jedem neuen Aufschluchzen lag der Weltschmerz von Generationen. Wir selbst waren nahe daran, in Tränen auszubrechen. Was hatten wir da angerichtet, um Himmels willen? Was ist in uns gefahren, daß wir diese kleine, zarte Kinderseele so brutal verwunden konnten?
    »Steh nicht herum wie ein Idiot!« ermahnte mich meine Frau. »Bring ihm einen Kaugummi!«
    Amirs Schluchzen brach so übergangslos ab, daß man beinahe die Bremsen knirschen hörte:
    »Kaugummi? Papi blingt Amir Kaugummi aus Eulopa?«
    »Ja, mein Liebling, ja, natürlich. Kaugummi. Viel, viel Kaugummi. Mit Streifen.«
    Das Kind weint nicht mehr. Das Kind strahlt übers ganze Gesicht:
    »Kaugummi mit Stleifen, Kaugummi mit Stleifen! Papi Amir Kaugummi aus Eulopa holen! Papi wegfahren! Papi schnell wegfahren! Viel Kaugummi für Amir!«
    Das Kind hüpft durchs Zimmer, das Kind klatscht in die Hände, das Kind ist ein Sinnbild der

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