Kishon's schönste Geschichten für Kinder
gekommen, um mich auszuruhen.
Unterdessen hatte sich Tzuki über die in seiner Nähe befindlichen Gräser und Pflanzen hergemacht.
Ich bog meine Reitgerte zurecht und bohrte sie ihm in die Seite:
„Woah", brüllte ich. „Rock-rock! Rühr dich schon endlich, du Vieh!"
Dann stieg ich ab. Genaugenommen stieg ich nicht freiwillig ab, sondern wurde abgeworfen. Tzuki hatte sein Hinterteil in einem Winkel von 45 Grad ruckartig hochgehoben. Als ich wieder fest auf meinen Beinen stand, ergriff ich den Strick und schwang mich abermals auf Tzukis Rücken. Diesmal ging ich energischer vor mein 99
Atem keuchte. Ich betrachtete die Sache jetzt nicht länger als einen Vergnügungsritt. Es ging nun darum, wer von uns beiden der Stärkere war.
Tzuki hopp, Tzuki he, Tzuki, woah!" Meine Stimme erreichte eine Lautstärke, die ich mir niemals zugetraut hätte. Nicht einmal das Klatschen der Reitgerte konnte sie übertönen. Verzweifelt rief ich weiter. Doch alle Ermunterungsrufe gingen an Tzukis idiotisch langen Ohren vorüber. „Tzuki", flüsterte ich nun, „Tzuki, ich bitte dich... " Seit Jahren war ich nicht so erschöpft und müde gewesen.
Ich schaffte es nicht einmal mehr abzusteigen. Die Abenddämmerung setzte ein. Ich haßte Schlomoh aus ganzer Seele.
Ein Traktor rumpelte zur Nachtarbeit aufs Feld. „Hallo!" rief der Fahrer. „Was machst du auf dem Esel?" „Ich bin unterwegs zum Stall. Warum?" „Warte, ich komme schon. "
Der Fahrer sprang ab, befestigte Tzukis Strick an seinem Traktor und gab Gas. Unter ohrenbetäubendem Getöse setzte sich der Traktor in Bewegung. Der Strick straffte sich. Doch Tzuki graste ungerührt weiter. Der Fahrer drückte das Gaspedal so tief durch, wie er nur konnte. Da riß der Strick entzwei. Daraufhin begann der Fahrer in einer mir unverständlichen Sprache zu fluchen. Er verschwand kurze Zeit und kam mit einer Eisenkette zurück. Es war klar, daß nun auch er in der Sturheit Tzukis die Herausforderung seines Lebens erblickte.
Der Traktor heulte wiederum auf, die Erde erbebte, die Räder knirschten, die Eisenkette ächzte und... Tzuki setzte sich in Bewegung ! Mit mir auf dem Rücken. „Hopp, Tzuki!" rief ich, „rock-rock!" Da waren wir schon beim Stall angelangt. Wieder einmal hatte die Technik die wilde Natur gezähmt. Aber ich glaube, ich werde trotzdem in Zukunft nicht mehr versuchen, auf einem Esel zu reiten. Was soll ich machen, wenn einmal kein Traktor kommt?
Das Riesenbild
Der Tag begann wie jeder andere Tag. Aber zu Mittag hielt plötzlich ein Lastwagen vor unserem Haus. Ihm entstieg Morris, ein angeheirateter Onkel meiner Frau.
„Ihr seid umgezogen, hörte ich" sagte Onkel Morris. " Ich habe euch ein Ölbild für die neue Wohnung mitgebracht. " Und schon brachten zwei stämmige Träger das Geschenk angeschleppt.
Wir waren tiefbewegt.
Das Gemälde bedeckte eine Fläche von vier Quadratmetern, hatte einen geschnitzten Goldrahmen und stellte die Geschichte des jüdischen Volkes dar. Rechts vorne erhob sich eine kleine Hütte. Sie war von viel Wasser und viel blauem Himmel umgeben. Oben prangte die Sonne in natürlicher Größe, unten weideten Kühe und Ziegen. Auf einem schmalen Fußpfad ging ein jüdischer Priester, ihm folgte eine Anzahl von seinen Schülern, ein Knabe kurz vor Erreichung des dreizehnten Lebensjahres, der sich für seine Bar-Mizwah vorbereitete. Im Hintergrund sah man eine Windmühle, eine Gruppe von Geigern, den Mond, eine Hochzeit und einige Mütter, die im Fluß ihre Wäsche wuschen. Auf der linken Seite öffnete sich die hohe See, komplett mit Segelbooten und Fischernetzen. Aus der Ferne grüßten Vögel und die Küste Amerikas.
Noch nie in unserem ganzen Leben hatten wir eine solche Scheuß- lichkeit gesehen, noch dazu in quadratischem Format. Wahrhaft atembeklemmend, Onkel Morris", sagten wir. „Aber das ist ein viel zu vornehmes Geschenk für uns. " „Macht keine Geschichten", sagte Onkel Morris. „Ich bin ein alter Mann und kann meine Sammlung nicht mit ins Grab nehmen. " Als Onkel Morris gegangen war, saßen wir lange vor dem Schreckensbild und schwiegen. Es war, als fülle sich unsere bescheidene Wohnung bis zum Rand mit Ziegen, Wolken, Wasser und Priesterschülern. Wir forschten nach der Signatur des Malers, aber er hatte nicht unterzeichnet. Ich schlug vor, die quadratische Ungeheuerlichkeit zu verbrennen. Meine Gattin schüttelte traurig den Kopf. Onkel Morris würde uns eine solche Kränkung niemals verzeihen, meinte sie. Wir
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