Kismet. Wenn Liebe nur so einfach wär`
Alkohol, durch sehr viel Alkohol, konnte sie es ertragen auf einer Bühne zu stehen. Ihr hektisch geschriebener Brief endete mit einer erneuten Entschuldigung.
Einen Augenblick überlegte Caro, ob sie noch drunter schreiben sollte, dass sie sich ihn verliebt hatte, entschied sich aber dagegen, sie wollte ihn nicht emotional erpressen.
Den Zettel schob sie unter seiner Tür durch und hatte just ein Déjà-vu, nur mit dem kleinen aber feinen Unterschied, dass der Brief gestern die Hoffnung versprach, sich wieder zu sehen. Dieser war ein Abschied.
Mutlos ergriff sie ihren Koffer und machte sich auf dem Weg zum Bahnhof. Auf der Straße merkte sie, dass sie keine Jacke an hatte. Sie fror, aber es kümmerte sie nicht. Caroline nahm keinen Bus und auch kein Taxi, obwohl sie es gekonnte hätte, sondern ging den unendlich weiten Weg, bis zum Hauptbahnhof, zu Fuß. Ihre Arme fühlten sich an wie Blei, vom ziehen des Gepäcks. Sie genoss den dumpfen Schmerz, kostet ihn ganz aus, weil er sie von einem viel größeren ablenkte, zu mindestens einen Augenblick lang.
Rastlos stürmte sie in den Bahnhof, kaufte sich ein Ticket und flitzte zum Bahnsteig. In letzter Sekunde sprang sie, in den gleich abfahrenden Zug.
21. Kapitel
E ine Woche später schleppte sie sich mit Sack und Pack beladen in ihren Hauseingang. Aus den Augenwinkel nahm sie wahr, dass ihr Briefkasten fast überquoll. Spontan beschloss sie, sich später darum zu kümmern und schlürfte weiter in ihre Wohnung.
Ihr Koffer landete achtlos in der Ecke und sie warf sich mit einem geräuschvollen Ächzen auf ihr Bett. Übermüdet, von der langen Zugfahrt, schloss sie die Augen und war binnen Sekunden eingeschlafen.
Erholt wachte sie auf und kochte sich einen Tee. Kaffee konnte sie nicht trinken, ohne in Tränen auszubrechen. Während sie ihren Pfefferminztee in kleinen Schlucken schlürfte, kramte sie gemächlich in ihrer Umhängetasche, steckte sich einen Pfefferminzbonbon in den Mund und machte das, wovor sie sich seit sieben Tagen drückte. Sie schaltete ihr Handy wieder an.
Caro rechnete damit dass Steffi fuchsteufelswild war, weil sie sich seit der Party nicht mehr bei ihr gemeldet hatte. Zudem hatte sie eine Woche unentschuldigt in der Uni gefehlt. Sie konnte nur hoffen, dass Steffi und Tobias sie überall in die Anwesenheitslisten eingetragen hatten, sonst hätte ihr kleiner Ausflug den Nebeneffekt, dass sie aus den Kursen geflogen war. Das würde bedeuten, ein Semester länger zu studieren, was in ihrer momentanen finanziellen Situation undenkbar wäre. Kurz schweiften ihre Gedanken zu dem abgelegenen Bauernhof ihrer Großtante, auf dem sie die letzten Tage verbracht hatte. Ihre Großtante hatte bei ihrem überraschtem Auftauchen keine Fragen gestellt, sondern ihr ein Paar Stiefel, sowie eine Mistgabel in die Hand gedrückt und ihr gesagt wo sie mit anpacken sollte. Tante Emmies Hof, war schon als Teenager ihr Zufluchtsort gewesen, wenn es mal wieder Stress mit ihren überengagierten Eltern gab. Also hatte Caro bis zu den Knien in Pferdeäpfeln gestanden und ausgemistet. War endlos über die Weiden galoppiert, auf ihrem Lieblings Schimmel und hatte Kindern Reitunterricht gegeben, um nicht an Ben zu denken. Abends hatten ihr, von den ungewohnten Anstrengungen, die Knochen unfassbar wehgetan. Es wäre ihr durch den Gliederschmerz fast gelungen, Ben aus ihrem Kopf zu vertreiben. Aber sobald der Schmerz ging, kam der Kummer millionenfach zurück.
Caroline hatte geglaubt vorher schon gewusst zu haben, wie es sich anfühlt jemanden zu lieben. Jetzt wusste Caro, sie hatte keine Ahnung gehabt. Ihre früheren Empfindungen für ihre verflossenen Partner, verblassten zur Bedeutungslosigkeit, neben dem nagenden dumpfen Druck in ihrem Bauch, den sie permanent spürte. Sie hatte nicht geahnt, wie sehr sie einen Menschen vermissen konnte. Ihr Herz, vielmehr jede Faser ihres Selbst, verzehrt sich nach ihm. Bitter erinnerte sie sich daran, wie ihre Tante sie vor zwei Tagen zum örtlichen Mediziner geschleppt hatte. So wie es dort ausgesehen hatte, behandelte der in seiner Mittagspause auch Kühe. Emmi hatte ihre Kopfverletzung entdeckt und gemeint die Fäden müssten langsam gezogen werden. Also hatte sie sich vom Dorf Quacksalber betatschen lassen und dabei die ganze Zeit jämmerlich geheult, weil es nicht Bens aufdringliche Hände waren. Der verstörte, ältliche Landarzt hatte ihr ein Taschentuch und einen guten Rat gegeben. Einfach weiter atmen, ein und aus, jeden
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