Kjell. Das Geheimnis der schwarzen Seerosen
viel Zeit vergangen war.
Langsam wurde mir doch kalt. Die Kälte durchdrang die Wolldecke
und meine Hose. Ich bewegte mich unruhig auf dem Baumstamm und warf
einen Blick auf den Picknickkorb mit der Thermoskanne. Ob ich es wohl
wagen konnte, die Becher rauszuholen? Nicht dass genau in dem Moment
die Elche kamen.
Ich legte das
Fernglas vorsichtig zur Seite und schlang die Arme um mich. Kjell
blickte mich an. »Ist dir kalt?«
»Ja, ein
wenig«, gab ich zu.
Wie
selbstverständlich legte er den Arm um meine Schultern und zog
mich an sich. »Ist es so besser?«
Ȁh, viel
besser. Danke«, erwiderte ich und lehnte mich zögernd an
ihn. In meinem Bauch legten die verdammten Nachtfalter wieder los.
Ich zappelte nervös herum und Kjell zog mich noch etwas enger an
sich. Mein Kopf lehnte an seiner Schulter. Sein Pullover kratzte
etwas an meiner Wange. Doch ich wagte nicht mehr, mich zu rühren.
Ich saß einfach da und atmete seinen Duft ein. Er roch angenehm
frisch. Ein dezenter Duft nach Wald, Wasserlilien und etwas
Undefinierbarem. Ich versuchte mich zu erinnern, wo ich diesen Duft
schon einmal gerochen hatte. Meine Gedanken wurden unterbrochen, als
Kjell mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich. Es war eine
zärtliche Geste. Ich blickte zu ihm auf. In seinem Gesicht lag
ein sonderbarer, fast düsterer Ausdruck, den ich nicht deuten
konnte. Verwirrt löste mich aus seinem Arm und fragte leise:
»Ist alles in Ordnung?«
Kjell nickte nur.
Die Kälte kroch erneut in mir hoch und ich lehnte mich wieder an
ihn.
»Ist dir denn
gar nicht kalt?«, erkundigte ich mich.
Er schüttelte
den Kopf. »Ich friere nicht so schnell.«
Ich konnte es gar
nicht recht glauben und fragte ihn: »Möchtest du
vielleicht einen heißen Kaffee?«
»Pst, dort…«
Ich folgte Kjells
Blick. Doch ich konnte nichts erkennen. Gebannt starrte ich auf die
andere Seite der Lichtung. Plötzlich sah ich eine Bewegung.
Vorsichtig trat eine Gestalt auf die Lichtung: eine Elchkuh. Sie
verharrte ein wenig und ging dann weiter. Aufgeregt griff ich nach
dem Fernglas. Hoffentlich würde man in der Dämmerung etwas
erkennen können. Ich stellte das Fernglas ein und blickte
hindurch. Dann machte ich eine Entdeckung, die mich fast aufjuchzen
ließ. Ein kleinerer Elch war hinter dem ersten aus dem Wald
getreten und lief jetzt mit schnellen Schritten an die Seite der
Elchkuh. Ich war völlig gebannt von der Szene. »Wundervoll«,
flüsterte ich und gab das Fernglas an Kjell weiter. Er blickte
ebenfalls hindurch. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Meine
ersten Elche in freier Wildbahn und dann gleich eine Mutter mit Kalb.
Kjell reichte mir das Fernglas zurück. Ich beobachtete die
beiden Tiere beim Äsen. Plötzlich hob die Elchkuh den Kopf
und blickte in unsere Richtung. Dann drehte sie sich um und
verschwand zusammen mit ihrem Kalb schnell wieder im schützenden
Dickicht.
»Das war toll!
Meinst du wir sehen heute Nacht noch weitere Elche?«, fragte
ich begeistert.
»Möglich,
aber vielleicht auch nicht. Wenn dir kalt ist, sollten wir lieber ein
anderes Mal wieder kommen.«
»Jetzt ist mir
nicht mehr kalt«, erklärte ich. »Aber trotzdem nehme
ich mir erst mal einen heißen Kaffee. Möchtest du
vielleicht auch etwas? Ein Sandwich?«
Kjell schüttelte
den Kopf. »Erst mal nur einen Kaffee bitte.«
»Ich habe auch
Köttbullar gebraten, falls du magst.« Damit reichte ich
Kjell einen Becher mit Kaffee. Er trank einen kleinen Schluck. Dann
deutete er auf den Korb »Wolltest du eigentlich den Rest deiner
Ferien im Wald verbringen, oder erwartest du noch jemand?« Den
letzten Teil des Satzes flüsterte er mir direkt ins Ohr. Ich
spürte wie ich rot wurde. »Nein, natürlich nicht!«
Verdammt, warum machte mich seine Nähe nur so nervös?
Sicherlich spürte er, wie er mich verunsicherte und natürlich
nutzte er es aus, um mich zu ärgern.
»Ach so, du
dachtest, ich lasse dich im Wald zurück und du musst hier
wochenlang allein überleben, bis du den Weg zurück
findest.«
»Also, ich
dachte … ich wollte doch nur …«, begann ich zu
erklären. Kjell rückte etwas von mir ab und grinste mich
frech an. Ich wurde sauer. Warum musste er diese romantischen Momente
immer zerstören? Bestimmt hatte ich einfach nur eine hyperaktive
Vorstellungskraft. Für ihn waren das wahrscheinlich überhaupt
keine romantischen Augenblicke, weil er mich gar nicht so sehr
mochte. Aber er spürte, dass ich ihn mochte. Deshalb spielte er
mit mir wie die Katze mit einer Maus. Diese
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