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Klagelied der Sterne: Der frühe Homanx-Zyklus, Bd. 2

Klagelied der Sterne: Der frühe Homanx-Zyklus, Bd. 2

Titel: Klagelied der Sterne: Der frühe Homanx-Zyklus, Bd. 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Dean Foster
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Mitjedem Tag, den die Instrumente still und die Bildschirme leer blieben, wuchs seine Zuversicht. Am Ende des ersten Monats war er sich sicher, den Pitar entkommen zu sein. Als sich der zweite Monat dem Ende näherte, fürchtete er sich allmählich davor, dass er ihnen tatsächlich entkommen war.
    Es war schrecklich im Rettungsboot. Zwischen luftleerem Raum auf der einen und leblosem Fels auf der anderen Seite gefangen zu sein, entwickelte sich zu einer immer größeren psychischen Belastung. Mallory fühlte sich, als würden ihn seine Resignation und Einsamkeit zerquetschen. Ja, er hatte die Pitar an der Nase herumgeführt. Ja, er lebte noch, während jeder andere Mensch auf Treetrunk vermutlich tot war. Aber was hatte er nun davon? Dass er den Pitar eine lange Nase machen konnte, die nicht einmal wussten, dass er existierte? Dass er hier draußen sterben würde, allein, nicht einmal umgeben von den Leichen der anderen Siedler? Während die Tage verstrichen, schien jede Minute langsamer zu vergehen, und Mallory fragte sich, ob er wohl die richtige Entscheidung getroffen habe. Widerstand leisten, um jeden Preis überleben - was war das schon wert? Bedeutete sein Überleben etwas, oder war es nichts weiter als der instinktive Reflex eines raffinierten Affen?
    Als seine Verzweiflung wuchs, opferte er sogar ein wenig seiner kostbaren Atemluft dafür, in seinem Raumanzug das Schiff zu verlassen. Die kahle, leblose Oberfläche des Zwergmondes trieb ihn zurück ins Schiff, wo es wenigstens warm war und wo er sich 3-D-Aufnahmen anschauen konnte. Doch nach einer Weile ließ er sogar das bleiben, außerstande, den Anblick glücklicher, lebender Menschen zu ertragen. Während das Boot stabil auf seinem niedrigen, geostationären Orbit über dem Krater blieb, ging Mallorys Verstand auf Wanderschaft. Die Gravitation ist nur eine lokale Konstante und kann keine Gedanken festhalten.
    Im dritten Monat wurden ihm die hastig verstauten Vorräte knapp. Er stellte fest, dass ihm das gleichgültig war. Um Atemluft zu sparen, beschloss er, die Kabinenluft in die Tanks abzupumpen und fortan nur noch im Anzug zu leben. Das tat er, weil es von ihm erwartet wurde, weil er am Leben bleiben musste, und nicht, weil er ein besonderes Verlangen danach verspürte. Sein Wasservorrat würde noch für eine Weile vorhalten, die Lebensmittel aber waren ihm ausgegangen. Das war gut so, beschloss er. Er würde immer schwächer werden, schließlich die Besinnung verlieren und nicht mitbekommen, wenn er im Anzug erstickte. Sein Körper bliebe von den Pitar und vor der Verwesung bewahrt, konserviert in der perfekten Kälte des Weltraums, die bereits mit tödlicher Gelassenheit in den Rest des Schiffes vorgedrungen war.
    So trieb er eine lange, lange Zeit dahin, saugte immer seltener an dem Wasserschlauch in seinem Helm. Eines Tages riss ihn etwas aus dem Schlaf. Verwirrt über die Störung erhob er sich vom Sitz und trat vor, um herauszufinden, was ihn geweckt hatte. Ehe er die Störenfriede entdeckte, fanden sie ihn, und er begann zu schreien. Hinterher konnte er sich nur noch daran erinnern, geschrien zu haben.
    Wie sich herausstellte, hörte außer ihm niemand sein Geschrei (bis auf ganz wenige Ausnahmen zwischendurch). Er schrie und schrie, immer weiter und weiter …

14
    »… und immer weiter.«
    Tse sagte nichts. Sie ließ die Hand an seinem Arm hinabgleiten, umschloss dann mit beiden Händen die seine, küsste sie zärtlich und drückte sie sich an die Wange. Tse scherte sich einen Dreck darum, was irgendwelche verärgerten Bürokraten oder Ärzte dachten, die sie auf fernen Monitoren beobachteten. Mallory starrte nach wie vor aus dem Fenster, auf das blaue Wasser und die sanft im Wind schaukelnden Palmen. Unaufhaltsam rannen ihm zahlreiche Tränen über die Wangen. Seine Atmung war normal, seine Herzfrequenz gleichmäßig, doch er konnte nicht aufhören zu weinen. Schließlich ging ihm die Tränenflüssigkeit aus.
    »Ein Teil von mir ist hier und lebt. Ein anderer Teil ist auf Treetrunk, bei meinen Freunden und Kollegen - tot. Der dritte und letzte Teil treibt voran, treibt über dem inneren Mond wie im Fieberwahn.«
    »Ich bin hier«, sagte sie sanft zu ihm. »Ich bin lebendig.«
    »Ja.« Er lächelte wieder und wischte sich mit dem Ärmel seines Krankenhauskittels über die Augen. »Man muss Gott für die kleinen Gnadenbeweise dankbar sein. Das gilt nicht für Sie, Irene. Sie sind alles andere als ein ›kleiner Gnadenbeweis‹. Ich darf Sie

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