Klagelied der Sterne: Der frühe Homanx-Zyklus, Bd. 2
Kriegsneurosen und damit zusammenhängende Erkrankungen spezialisiert. Sie will nicht Ihre Aufrichtigkeit infrage stellen. Wie wir alle will auch der Colonel nur Ihr Bestes - und die Wahrheit herausfinden.«
»Die Wahrheit?« Mallorys Stimme klang beinahe hysterisch, und er beugte sich ruckartig im Bett vor. Unweit von ihm aktivierte ein Medizintechniker den Subkutaninjektor, den er hinter dem Rücken verborgen hielt, und trat vor. Verwirrt von der unerwartet heftigen Reaktion ließ Tse Mallorys Hand los. Aber sie erhob sich weder vom Bett noch rückte sie von ihm ab. Als Mallory die plötzliche Angst in ihrem Gesicht sah, bemühte er sich, seine Fassung wiederzuerlangen.
»Ich habe Ihnen die Wahrheit gesagt. Ob sie mir glauben oder nicht, liegt bei Ihnen.« Er starrte seine neugierigen Besucher verärgert an und fügte warnend hinzu: »Sie sollten mir besser glauben, denn es gibt keine Garantie dafür, dass die Pitar so etwas nicht wieder tun. Es sei denn, sie haben sich alles, was sie brauchen, von Treetrunk geholt.«
»Die Fortpflanzungsorgane menschlicher Frauen?« Rothenburg klang äußerst skeptisch. »Sie werden schon entschuldigen müssen, Mr Mallory, wenn manche von uns nicht nachvollziehen können, wieso man deswegen eine Kolonie angreifen sollte. Um einen strategischen Vorteil oder eine Basis zu erlangen: ja; um eine Welt zu erobern, auf der es viele seltene Metalle und Mineralien gibt: vielleicht. Womöglich auch, um die Spezies, die den Planeten beherrscht, einzuschüchtern, damit sie ihn aufgibt. Aber das, was Sie berichten, ergibt keinerlei Sinn.«
»Und erlöse uns von der begrenzten Denkweise der Militärs«, murmelte Mallory. »Was macht das Militär hier überhaupt?«
»Wenn sechshunderttausend Menschen ohne Vorwarnung gnadenlos abgeschlachtet werden, wird das automatisch zu einer militärischen Angelegenheit«, entgegnete ein Offizier hinter Rothenburg steif.
Mallory schnaubte und lehnte sich in die Kissen zurück. »Was ich gesehen habe, ergibt für mich auch keinen Sinn. Pitar und Menschen können keinen Nachwuchs zeugen, aber andererseits kann ich die Art von organisiertem Organraub, den ich mit angesehen habe, keinesfalls als morbide wissenschaftliche Neugier oder wahlloses Gemetzel abtun. Die Pitar, die ich beobachtet habe, sahen so aus, als wüssten sie ganz genau, was sie wollten und wo sie es herbekommen würden. Sie hatten Aufbewahrungsbehälter dabei, indem sie das … was sie haben wollten, konservieren konnten. Sie haben aus einem bestimmten Grund gehandelt. Falls sie andere Motive dafür hatten, Treetrunk zu vernichten, dann können Sie die wohl nur von den Pitar selbst erfahren.« Er vollzog eine obszöne Geste, ohne darauf zu achten, wer ihn vielleicht auf fernen Monitoren beobachtete.
»Ich glaube jedenfalls, wir sollten alle Schiffe, die wir auftreiben können, mit Waffen voll stopfen und alle Pitar, denen wir auf dem Weg zu ihrem geliebten Scheiß-Dominion begegnen, aus dem All blasen. Dann sollten wir ihre beiden kostbaren Zwillingswelten mit radioaktivem Staub berieseln, der eine schön lange Halbwertzeit hat. Wie war’ das? Warum befragen Sie nicht ein paar ihrer Abgesandten, die hier auf der Erde sind? Beurteilen Sie ihre Reaktion! Sie werden natürlich lügen. Das Blaue vom Himmel herunter. Zweifellos sind sie davon überzeugt, sämtliche Beweise ihrer Gräueltat beseitigt zu haben. Was auch stimmt - abgesehen von mir.« Plötzlich fiel die gespielte Tapferkeit von ihm ab wie ein vertrocknetes Blatt von einem Baum, der vom Herbststurm geschüttelt wird. Er klang nun kleinlaut und verängstigt, als fochten zwei verschiedene Persönlichkeiten um die Vorherrschaft im Körper ein und desselben Menschen.
»Die Pitar wissen doch nichts von mir, oder? Sie wissen nicht, dass ich hier bin …?«
»Ganz ruhig«, redete Tse auf ihn ein. Sie beugte sich zu ihm und strich ihm mit den Fingern über den Arm. »Ganz ruhig, Alwyn! Niemand weiß, dass Sie hier sind.« Sie warf Chimbu einen besorgten Blick zu. »Oder?«
Der Chefarzt schüttelte den Kopf. Seine Worte strotzten vor Überzeugung. »Nur wenige ranghohe Ärzte und die Klinikleitung wissen, wo Mr Mallory wirklich herkommt. Abgesehen von den Leuten hier im Raum, mussten wir nur noch eine Hand voll Regierungsvertreter informieren.«
Colonel Nadurovina fügte beruhigend hinzu: »Sie wären überrascht, wenn Sie wüssten, wer von Ihrer Existenz weiß und wer nicht; manche haben wir gezielt im Dunkeln gelassen. Sie sind hier
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