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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Febel
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Gangsysteme auszumachen, lauschte einen Moment lang erstarrt und irgendwie furchtsam. Werde ich sie denn wiedererkennen?
    Ein Kammerherr kam angeschritten, hinter seinem Rücken, lautlos auf Teppich – woher? Die Wände waren porös mit Pforten und Gängen. Der Mann in der roten Livree wies Escarlati einen Stuhl an, jenen mit den stuckverzierten Armlehnen, den der Meister soeben zerstreut beäugt hatte. Domingo setzte sich, fiel in den Sessel wie ein ängstlicher Patient beim Kurpfuscher.
    »Wozu dann die Eile?«, murmelte er.
    »Welche Eile, Exzellenz?«, fragte der Kammerherr interessiert, kannte er doch etwas Derartiges nur vom Hörensagen.
    Nichts geschah. Der Herr mit der Livree zog sich zurück. Escarlati wartete. Personen gingen ein und aus. Ein junges Mädchen kam mit einem Tablett auf ihn zu, beugte sich lächelnd herab und bot ihm verschiedene Dinge zur Wahl, Saft, Wasser, Oliven in einer irdenen Schale und Trauben sowie ihre Brüste, die er im Halsausschnitt wie zwei Faulenzer in einer Hängematte liegen sah. Wie wunderschön und jung, dachte er gerührt – das Letztere mochte die Nachwirkung des Alkohols sein. Des Meisters Hand griff schon zum Saftglas, bog dann aber, als er sich die Säure der Orangen im Mund vorstellte, ab und schwenkte zur Wasserkaraffe – doch die Kleine kam ihm zuvor und schenkte ein, lächelte dabei noch immer. Er seufzte, nahm einen Schluck, stellte, da sie davongegangen war, das Glas neben sich auf den Boden, schob seinen Rock zurecht. Der Stuhl war bequem, er spürte den Wein, dachte an seine junge Frau in Napoli und schlief ein.
    Als er wieder erwachte, hatte sich das Licht verändert. Es war spät am Nachmittag. Domingo blickte sich um und sah dann nach oben. Das Himmelsquadrat über dem Patio zeigte nun ein dunkles Wolkenstück, einheitlich und kontrastlos, als habe jemand während seines Schläfchens den Himmel grau gestrichen. Ein paar Vögel zogen darüber hinweg. Ihn fröstelte.
    Dicke Tropfen klatschten in den Hof. Vielleicht hatten diese ihn aufgeweckt. Escarlati duckte sich schlaftrunken, doch unnötigerweise, denn er saß ja im Trockenen unter der Balustrade, die ganz um den Hof herumführte. Die einzelnen Tropfen wurden zu einem Schauer, nicht mehr getrennt wahrnehmbar – wie das Cembalo im Tutti des Orchesters, ein Rauschen nur, in dem die einzelnen Töne untergingen, etwas, das Escarlati hasste.
    Allmählich grundierte der Regen auf dem Steinboden ein ebenso graues Gegenbild zu dem Wolkenausschnitt darüber, ein nasses, monochromes Gemälde in trockenem Rahmen, auf dem Domingo saß wie eine Signatur.
    Was ist denn jetzt? Viele Leute ließen sich blicken, huschten umher wie Ameisen in einem Bau, doch niemand nahm Notiz von ihm.
    Die Besucher und Bediensteten gingen nun nicht mehr diagonal, das heißt die kürzesten Wege, über den Innenhof, sondern am trockenen Rand entlang, im Schutz der Balustraden. Manchmal entstand Gedränge. Escarlatis Stuhl war im Weg.
    Aus einer Öffnung in der Wand erschien das Mädchen wieder, rannte kichernd und barfuß stracks über den Hof und verschwand in einer anderen Öffnung des Bienenstocks. Die schweren Tropfen trafen ihre Stirn und das Haar, das Gewand flatterte ihr nach und beim Vorbeispringen lächelte sie Escarlati zu.
    Wieder hatte er im Traum den Brand gesehen, das große Feuer. Immer wieder derselbe Traum, wenn auch verschieden deutlich und in verschiedenen Variationen. Ein brennender Vorhang wie scharlachfarbener Samt, doch nicht aus Stoff, sondern vielleicht aus dem Orange der untergehenden Sonne gewebt, flattert in seinem eigenen Feuer; alles ist in Brand gesteckt, und Domingo greift mit bloßen Händen in den Faltenwurf aus Flammen, will ihn schon, nachdem er dahinter Schreie hört, beiseite ziehen (wobei seine Hände nicht schmerzen), erkennt auch Schemen dahinter, im Feuer, vielleicht gar ein Gesicht. Und an dieser Stelle wachte er jedes Mal auf.
    Im Rot des Sesselbezugs klang der Albtraum noch eine Weile nach.
    »Seine Majestät wird Euch jetzt sehen«, sagte ein Sekretär, der auf einmal neben Escarlati stand. »Er frühstückt. Im Bett. Lasst Euch dadurch nicht irritieren. Zurzeit empfängt er jedermann im Bett, auch Fürsten, Gesandte, Kardinäle, Stadtbeamte. Männer, Frauen. Man hat sich daran gewöhnt.«
    »Er frühstückt? Jetzt?«
    Das ist unsere kleinste Sorge, sagten des Sekretärs Hand- und Schulterbewegungen, und er versuchte zu erklären: »Der König hat sich ein wenig verändert, seitdem Ihr ihm in

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