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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Febel
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ich eine Lösung finden, da ich ja nicht nackt gehen kann, zumal möglicherweise auch die mich umgebende Luft … Aber lassen wir das. Was tun? Nun, dies, zugegeben, war keine allzu schwere Aufgabe. Die unterste Lage ist natürlich Getragenes der Königin, und erst darüber kommt mein eigener Rock.«
    Er grinste wie ein Gefangener, der seinem Wächter eine lächerliche Kleinigkeit abgetrotzt hat.
    »Und außerdem liebe ich ihren Geruch. So mischt sich Pflicht mit Vergnügen.« Er schnüffelte an dem brokatenen Unterrock, der unter seinem Schlafrock hervorlugte.
    Als öffne sich wieder einmal ein Türspalt zum grausigen Kabinett der Geruchsvisionen! Escarlati erschnüffelte der Königin Schweiß und noch Intimeres, des Königs Angst und Ausdünstung sowie – dies Erstere alles war ja nicht verwunderlich – einen Geruch, der ihn an brennendes Fleisch denken ließ.
    Und das war fürchterlich, denn wieder einmal hing die Frage im Raum: Kommt dieser widerwärtige Duft aus einer Küche, in der vielleicht ein Mahl zubereitet wird, sei es Frühstück, Mittag- oder Abendessen, je nach Grad der königlichen Verwirrung – oder roch Escarlati schon wieder in der Vergangenheit herum? Es graute ihm.
    Was Escarlati für den Beginn der Audienz, für einleitende Wortegehalten hatte, das war bereits deren Ende gewesen. Er wagte es nicht oder vergaß, nach der Prinzessin zu fragen, fragte überhaupt nach gar nichts, nicht nach Gehalt, nicht nach Pflichten oder Terminen, lächelte den König unentwegt und bewegungslos an, was bedeutete: Wo bin ich da hineingeraten? – Das ist doch einfach nicht zu fassen! Doch du, du darfst das nicht merken. Er war erleichtert, dass der Abschied nur aus einem Wink und keiner zweiten Handreichung bestand, verbeugte sich und ging.
    Die Höfe des Alcázar spulten sich nun zurück, doch er nahm nichts wahr, nicht einmal das junge Mädchen, das erneut an ihm vorbeihuschte, trat durch das Haupttor auf den Platz vor der Kathedrale, dieser noch regennass glänzend, blickte nach oben zur Giralda und dann nach unten zu deren Spiegelung, holte tief Luft und schüttelte den Kopf.

8
    Am nächsten Abend spazierte Escarlati wieder durch die Stadt, ziellos und unruhig. Ziellos: Jetzt, nachdem er sich ein wenig auskannte, durfte er dies auch sein. Die restliche Neugier ließ sich nun dosieren. Wann man diesen oder jenen Winkel dem Stadtplan im Kopf hinzufügte und den letzten weißen Fleck zwischen Giralda, Alcázar und Guadalquivir tilgte, das war unwichtig, heute, morgen oder auch nie.
    Natürlich hatte man tags zuvor kein nächtliches Konzert für ihn anberaumt. Der König fühle sich nicht wohl, verlautete es (manchmal hieß es in derlei Fällen auch: Majestät hat zu viel zu tun oder: hat wichtigen Besuch, aber nie: sei völlig verwahrlost, ungewaschen und melancholisch, erhebt sich nur zum Vögeln – und auch dazu nicht unbedingt – sowie zur täglichen Messe).
    Doch einiges hatte man am Vormittag trotzdem klären können, Escarlatis Gehalt zum Beispiel – obgleich er, schüchtern wie er war, nicht danach gefragt hatte. Es entpuppte sich als wahrlich fürstlich, wie versprochen! Ja, mehr noch bekam er, als zugesagt, denn um die Vergütung rankten sich Zulagen, Sonderzahlungen, Privilegien, Ausgabenerstattungen aller Art. – Sie können in jeder Kneipe unserer Stadt essen. Auf unsere Kosten, wohl bekomm’s! — Die Schatzmeisterei wusste Bescheid, man war freundlich und hilfsbereit.
    »Ein teures Hochzeitsgeschenk – dafür hätte sie auch zwei Pferde mit Kutsche gekriegt«, hatte allerdings ein Schreiber geflüstert, während Escarlati ihm den Rücken zuwandte.
    Ach was! »Wirklich ausgezeichnet beraten wird man hier«, dankte der Meister, obwohl er den Scherz gehört hatte, und kratzte seine Unterschrift auf einen Berg Papier, immer unten rechts, immer gleich groß und genauso hübsch wie die Sonaten.
    Nur hübsch? Da muss jetzt endlich etwas geschehen! Escarlati war ungeduldig, wollte nicht länger untätig sein, saß schon allzu lange fest zwischen altem und neuem Leben.
    Am Nachmittag hatte er dann Königin Isabella Farnesina, eine gebürtige Italienerin, kennengelernt. Bei der täglichen Audienz hatte man ihn kurzerhand zwischen zwei wartende Parteien eingeschoben, und er konnte ein paar Höflichkeiten mit der Regentin in beider gemeinsamer Sprache austauschen, wurde durchaus herzlich begrüßt, auch im Namen der Stieftochter, der Prinzessin, die ihn und den Unterricht schon sehnlich erwarte. Doch

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