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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Febel
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Kirchenportal, sah die Frau davonschlurfen und bestellte einen Becher Wein.
    »So viele Pilger sind’s heut wieder«, sagte ein Mann neben ihm und zeigte auf das ständig auf- und zukippende Tor. »Er soll magische Kräfte haben. Der Jesus dort drin.«
    »Aber der ist nur aus Gips – oder Holz«, sagte Domingo. »Und das da ist auch Gips.« Er deutete auf die Stuckatur an einer Fassade. »Magische Kräfte hier auch? Dann sollte man gleich die Mauer abschlecken.« Sogleich bereute er seine Worte: Wie frei darf man in Spanien überhaupt sprechen? Das ist noch nicht geklärt.
    Der andere schüttelte den Kopf, lachte und prostete Escarlati zu. Er war mittelgroß, schon etwas älter, ging wohl auf die Sechzig zu oder darüber hinaus und hatte ein markantes, ja äußerst bemerkenswertes Gesicht.
    Wenn ich hier fremd bin, dachte Escarlati, dann kommt jener vom Mond. Das Gesicht seines Gegenübers war flach, bleich und rund, weißgelb, von zarter, junger Haut überzogen, die nicht seinem wirklichen Alter zu entsprechen schien. Die Augen schwarz, schmal wie Schlitze unter pfeilförmigen Brauen, die Nase kurz, breiter als lang und zum Prüfen von Rotwein oder Manzanilla denkbar ungeeignet – wie sollte man sie über ein Glas hängen, ohne dass der Mund im Weg ist? –, dieser Mund aber edel und dünn, ein Strich von vollkommener Ruhe und Heiterkeit.
    »Einen schönen guten Tag«, sagte der Herr. »Japón. Nomen est omen.«
    Japón war fein gekleidet, graues und schwarzes Tuch mit etwas Rot hie und da. Saubere Stiefel. Keine Kopfbedeckung, ach doch, der Hut lag neben ihm auf der Bank, eine Art Dreispitz, nicht übertrieben hoch, eher unscheinbar und schlapp wie eine Leinenmütze; momentan allerdings war ein großer, runder Kahlkopf sichtbar, weiß und zart wie das Gesicht, eine Art Gemüse, ja, wie ein Blumenkohl ohne Struktur; keine Perücke.
    »Also kommt es auf die Form an?«, fragte Escarlati, an den Wortwechsel von zuvor anknüpfend. »Das Geschnitzte oder Gestuckte – sagt man so? – muss Menschengestalt haben?«
    »Mich dürft Ihr so etwas nicht fragen«, sagte der andere, »ich glaube das alles keineswegs«, wobei er seine Stimme etwas senkte. »War nie scharf darauf, die Holzferse zu probieren.«
    »Tja«, sagte Escarlati, »wer weiß das schon. Japón wie Japan, das Land im Osten? Ich habe davon gehört. Und von dort seid Ihr? Ja? Auch ich komme übrigens aus dem Osten, bin neu hier, nicht von so weit her allerdings: Napoli. Domenico Scar… Domingo Escarlati. Sehr erfreut.«
    »Musiker? Organist?«, fragte Japón nach einem Schluck aus seinem Becher.
    »Das habt Ihr nicht an meinen Fingern abgelesen«, sagte Escarlati verblüfft, bemerkte aber gleichzeitig, dass seine linke Hand auf der Theke eine schwere Terzenpassage übte. »Oh.« Er grinste etwas dämlich.
    Japón lachte. »Viele«, sagte er, »trommeln ungeduldig auf dem Holz herum, wenn sie nichts zu tun haben oder unruhig sind oder beides. Doch kaum einer probt dabei schwierige Doppelgriffe. Euer vierter Finger: Respekt!«
    »Woher wisst Ihr, dass gerade der vierte Finger …«
    »Bei uns zu Hause steht ein altes Spinett, weiß der Teufel, wo das her ist, meine zwei Töchter spielen ab und zu darauf, gesetzt den Fall, sie kommen mich überhaupt besuchen, sind ja beide schon verheiratet – und auch ich klimpere manchmal ein wenig. Alte Liedchen. Einige der Drähte …«
    »Saiten.«
    »… Saiten habe ich selbst erneuert, fand beim Schuster was Passendes. Hab sogar versucht, die Töne zu spannen …«
    »Zu stimmen.«
    »… zu stimmen, doch klingt’s, fürchte ich, noch immer ein wenig nach Schnürsenkelharfe. Ob Ihr einmal danach sehen könntet?«
    Nachdem also Escarlatis Beruf mit Leichtigkeit durchschaut worden war (Unbewusst hatte er mittlerweile die Linke an sich gezogen und unter dem Tisch versteckt – als hätte jemand die raffinierte Akkordfolge anhand der Fingerbewegungen aufschreiben und somit stehlen können.) und er gut gelaunt dem neuen Bekannten seine Assistenz beim Tönespannen zugesagt hatte, blieb noch, einige Details zur eigenen Person nachzutragen, was Escarlati auch tat: Hofmusiker, gerade angekommen, schon einmal in Lisboa gewesen (Wie bitte? Nein, in Spanien zum ersten Mal.), dort in Portugal am Königshof gearbeitet, nun Prinzessin Maria Barbaras Hochzeitsgeschenk anstelle eines Kamels oder Reitpferds, Cembalovirtuose, komponiere auch ein wenig. Orgel? Nein, nicht so gern, nur wenn’s sein muss.
    Übrigens sagte Escarlati bei

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