Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Febel
Vom Netzwerk:
Napoli begegnet seid«, – im Zwiespalt, einerseits mehr zu sagen als erlaubt, andererseits dazu angehalten, dem Neuzugang am Hof einen Schock zu ersparen, der wiederum, bemerkte ihn der König, das Vertrauen zwischen beiden schon im ersten Augenblick zerstören könnte, woraufhin Escarlatis Musik keinen heilenden Einfluss auf Majestät mehr würde ausüben können, etwas, das die Königin inständig hoffte – und wofür sie auch betete, wann immer es sich ergab.
    »In den schlimmen Phasen …«, fuhr der Sekretär fort.
    »Schlimme Phasen?«
    »… die, Gott und der Jungfrau sei Dank, nicht ewig dauern, herrscht bei uns eine andere Wirklichkeit, die dann für alle zu gelten hat. Zum Beispiel sind Tag und Nacht vertauscht, doch keiner darf es merken noch erwähnen. Bitte haltet auch Ihr Euch daran. Er bestimmt, so ist das nun einmal.«
    Mittlerweile hatte man sich zwei Innenhöfe weiterbewegt, der eine durchlaufen von einem rechteckigen grünen Wasserbecken, in das der Regen seine Tropfen schlug, der nächste mit Matten und Teppichen ausgelegt und durch ein Zeltdach verschlossen, welches das Wasser mit dumpfen Tönen punktierte. Drei Höfe, drei verschiedene Geräusche des Regens, die sich steigern wie Register: normaler Achtfuß patscht auf Stein, Lautenzug zieht Kreise im Becken, Koppel in tiefer Lage tropft in Tuch. Ja, ein Escarlati ist immer am Arbeiten.
    Der Sekretär blieb stehen und hob die Hand wie ein Jäger, der auf einer Lichtung Wild entdeckt, man unterbrach die Pirsch nach der Majestät und setzte sich – schon wieder! –, diesmal auf ein ziseliertes, wie zuvor samtbespanntes Sofa zwischen zwei stacheligen Pflanzen in Blumenkübeln, wobei Escarlati – man war ja offensichtlich auf der Jagd – sich instinktiv bemühte, das Polster möglichst lautlos zu belasten. Gegenüber sah er eine Maus an der Falte zwischen Boden und Wand entlangfahren – dabei fiel ihm seltsamerweise Japóns Art zu lächeln ein –, bis sie hinter einem Schrank verschwand.
    Es war still, das heißt, nicht ganz. Ein periodisch an- und abschwellendes Geräusch drang herüber wie von weither, und Escarlati dachte an ein Fabeltier mit zwei Köpfen, das zugleich heult und jubiliert. Verwundert blickte er zum Sekretär hinüber, doch dieser zeigte keine Reaktion.
    »Was haltet Ihr denn da gefangen?«, entfuhr es Domingo, der an das unerwünschte Geschenk eines fernen Potentaten dachte, einen riesigen Falken etwa oder den Vogel Rock.
    »Das königliche Schlafgemach. Sie treiben es, was das Zeug hält«, sagte der Sekretär leise, aber nun ohne jeglichen Respekt. »Dies ist das Einzige, was unverrückbar seinen Gang geht, jeden Morgen – also Abend und jeden Abend – also Morgen. Spanische Fliege ist da sicherlich im Spiel, möglicherweise auch Nashorn-Hornpulver, Artischocken, Malvasier, ich weiß nicht, was noch alles. Hört einfach nicht hin.«
    Das war leichter gesagt als getan.
    »Ich glaube, mir ist nicht ganz wohl«, sagte Escarlati. »Wahrscheinlich der Wein.«
    Der Sekretär blickte stumm geradeaus, unbeweglich, als sympathisiere er mit der Königin und ließe ebenso wie sie gerade etwas Unvermeidliches über sich ergehen. Doch der Höhepunkt des entfernten Duetts war bald erreicht, und die doppelköpfige Stimme ebbte ab, will sagen, deren tiefere Hälfte verstummte nach einigen meckernden Rufen auf einen Schlag, wohingegen das Seufzen in höherer Lage erst allmählich leiser und regelmäßiger wurde, bis es sich mit dem Hintergrundrauschen des Palastes, den fernen Gesprächen, Schritten, Vogelstimmen, dem Gläserklirren und Murmeln verband.
    »Jetzt?«, fragte Escarlati in grotesker Komik und erhob sich halb von der Sitzfläche wie zum Start bei einem Wettlauf. »Bevor er wieder einschläft?« Wer weiß, wie groß das Zeitfenster sein mag – auch Domingo hatte da seine Erfahrungen, was postkoitale Müdigkeit betraf.
    »Gleich«, erwiderte der Sekretär ungerührt, nun kein Jäger mehr, sondern ein General, der das Schwert zum Angriff zu heben hat. Der Meister verharrte indes in halb erhobener Position, was anstrengend war. Eine Zofe erschien in einem dunklen Geviert und nickte den Wartenden zu.
    »Ja, jetzt«, sagte der Sekretär, sprang auf, betrat den Gang in der Wand, und Escarlati folgte.
    »In Wahrheit ist es uns allen unbegreiflich«, flüsterte der Angestellte, während man um ein paar letzte Ecken bog. »Die Zustände kommen und gehen. Immer aber tritt eines Tages ein neuer, gewaschener und rasierter König aus

Weitere Kostenlose Bücher