Klar Schiff zum Gefecht
herüber. Sogar Lock mußte wohl von dem Anblick der abgerissenen, erschöpften Soldaten so überwältigt sein, daß er den Koch nicht zurückhalten mochte.
Bolitho hörte Foleys Stiefel neben sich, aber er wandte sich nicht um.
»Vielen Dank, Kapitän, von mir und meinen Männern. Und von jenen, die ihr Leben Ihrer Menschlichkeit verdanken – und Ihrem Mut.« Als Bolitho sich umdrehte, hielt er ihm seine Hand hin. »Wegen dieser Haltung können Sie Ihre ganze Laufbahn aufs Spiel setzen. Sie wissen das sehr gut.«
Bolitho zuckte die Achseln. »Lieber das, als mit einer üblen Erinnerung leben.«
Irgendwo im Finstern erscholl ein Ruf, und ein Kutter wurde auf die Küste zugerudert.
»Ich konnte diese Männer nicht zurücklassen.« Er schritt zu den Wanten. »Wenn notwendig, werde ich eher das Gold über Bord werfen lassen.«
»Ja, Kapitän, ich glaube Ihnen.«
Aber Foley hatte in die leere Finsternis gesprochen. Als er die Reling erreichte, sah er die Gig schon unterwegs zum Ufer. Und Bolitho saß neben Stockdale an der Pinne. Der Oberst spähte aufs Geschützdeck hinunter. Wo würden all die Leute untergebracht werden? Er hörte das Quietschen der Riemen, als das erste Boot von der Küste ablegte. Eines schien ihm sicher. Bolitho würde irgendwo Platz schaffen und wenn es ihn seinen Rang kosten sollte.
Wagen oder Sterben
Bolitho öffnete seine Augen und starrte auf die Schale dampfenden Kaffees, die Stockdale ihm über die Kojenkante reichte. Mühsam setzte er sich auf. Seine Gedanken versuchten mit den außergewöhnlichen Umständen zurechtzukommen. Draußen begann es bereits zu dämmern. Er befand sich in der kleinen Kajüte Tyrells, die durch eine Stellwand vom Meßraum abgetrennt war, und als er die Tasse an seine Lippen hielt, konnte er sich noch immer nicht erinnern, wie er hierher gekommen war. Stockdale wisperte heiser: »Sie haben eine gute Stunde lang geschlafen, Sir. Ich wecke Sie nur sehr ungern auf.« Er zuckte schwerfällig die Achseln. »Aber Ihr letzter Befehl war, alle Männer vor Dämmerung zu wecken.«
Bolithos wirre Gedanken klärten sich plötzlich. Er spürte jetzt die ungleichmäßige Bewegung um sich, das Ächzen von Stagen und Wanten.
»Der Wind, wie ist er?« Er warf seine Beine über die Kojenkante und versuchte, ein Gefühl der Unsauberkeit und Zerschlagenheit zu überwinden.
»Legt zu, Sir.« Stockdales Stimme klang unglücklich. »Aus West.«
»Verdammt.« Bolitho hielt die Tasse noch in der Hand, als er sich aus der Kajüte stürzte. Beinahe wäre er über eine Reihe schlafender Soldaten gestolpert. Obwohl er sich so rasch wie möglich ein Bild von der Lage machen mußte, blieb er einen Augenblick bewegungslos stehen und starrte sie an. Er erinnerte sich an die langen Nachtstunden, an den Strom kranker und verwundeter Soldaten, den seine Seeleute an Bord geleitet hatten. Einige würden den nächsten Tag nicht mehr erleben, andere, von Fieber oder der Qual faulender Wunden gepeinigt, waren zu Skeletten abgemagert.
Immer noch fühlte er in sich jenen kalten Zorn und die Scham, als es ihm bewußt geworden war, daß die meisten dieser Männer auf den Maultieren hätten transportiert werden können, anstatt in der Nacht Schritt für Schritt hinter ihren Kameraden hertaumeln zu müssen. Dieser General!
Er stieg über die erschöpften Menschen zum Achterdeck hinauf. Tyrell kam sofort auf ihn zu.
»Sie wissen schon über den Wind Bescheid, Sir?«
Bolitho nickte und ging zu den Wanten. Die Bucht lag im blassen Morgenlicht wie aufgerauhter Stahl. Kleine Wellen schlugen gegen den Schiffsrumpf und schoben sanft, doch stetig, so daß die Ankertrossen straff gespannt waren.
Buckle erschien an seiner Seite. Sein Gesicht war grau vor Müdigkeit. »Wir können nicht einmal den kleinsten Fetzen Segel setzen, Sir. Wir haben die Küste genau in Lee.« Bolitho starrte über die Backbordseite zu dem dunklen Landstreifen, der sich in der Dämmerung immer deutlicher abzeichnete, dann zu dem Vorsprung, um den der Fluß und das tiefe Fahrwasser herumströmten.
»Wir werden bleiben müssen, wo wir sind, und können nur hoffen, daß der Franzmann das gleiche im Sinn hat«, meinte Graves. Aber seine Stimme war voller Zweifel.
Bolitho schüttelte den Kopf. Leise sprach er seine Gedanken aus. »Der Franzose wird denken, daß wir hier sind, auch wenn er unsre Stärke nicht genau kennt. In jedem Fall wird er bald Anker lichten und in offenes Wasser auslaufen. Wenn er uns im Vorbeisegeln sieht, wird
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