Klassenfahrt zur Hexenburg
angeleiert,
weil die Gelegenheit scheinbar so günstig war. Aber seine Rauschgift-Geschäfte
betreibt er ohne unnütze Mitwisser. Wie dem auch sei — immerhin habe ich
Ossinskys Steckbrief gesehen. Ulrich Döllner hat ihn mir gezeigt. Das Foto war
zwar nicht besonders gut, aber typmäßig würde ich den Mistkerl erkennen, und
die Personenbeschreibung habe ich im Kopf.“
„Was machen wir, Tim?“
„Wir bluffen die Nachbarin.
Dass wir vorhin in Godards Begleitung waren, verschafft uns einen
Riesenvorteil. Sie hält uns sicherlich für die Jungriege der
Nachwuchs-Kriminalisten. Sie wird keinen Verdacht schöpfen, wenn wir die
Reinbold-Behausung abermals filzen — und diesmal gründlich. Der gute Godard
hätte ja ‘ne Leiche unterm Bett übersehen.“
Diese obschon makabre
Vorstellung schien Gaby zu amüsieren. Sie kicherte lieblich. Dann — wie gesagt
— besorgten sich beide beim MIRAMAR brauchbare Tretmühlen und radelten durch
den schwülen Abend zur Rue Purgatif — zu jener noblen Villa am Strand, wo
hinter den Fenstern der Nachbarin immer noch Licht brannte.
*
Die Dame pflegte abends
offenbar Wein zu trinken. Jedenfalls roch sie danach, ihre Stimme klang danach
und die Bewegungen waren danach.
„Ah, ihr?“, lächelte sie.
„Schöne Grüße von Kommissar
Godard“, schwindelte Tim. „Er schickt uns. Fragen sind offen. Außerdem müssen
wir noch mal in die Wohnung.“
Wenn das rauskommt, dachte
Gaby, reißt Godard uns sämtliche Ohren ab.
Die Nachbarin machte ein
verhaltenes Bäuerchen, das nach Weißwein duftete. „Aber gern. Ich habe... habe
ja Zeit und den Schlüssel.“
„Wunderbar!“, lächelte Tim.
„Aber zunächst müssten wir — die wir ja im Auftrag von Kommissar Godard fragen
— müssten wir also wissen, wie Martin Reinbold aussieht. Können Sie ihn
beschreiben?“
„Au... äußerlich? Oder...
seinen Charakter?“, nuschelte sie.
„Erst mal äußerlich.“
„Er ist... ja, er ist
dunkelhaarig. Ist schlank. Sieht gut aus. Hat... hat so ein gewisses Lächeln.
Und... ja, so sieht er aus.“ Der Wein wirkte offenbar mit Spätzündung. Soeben
breitete das fünfte Glas seinen dämpfenden Schleier übers Gehirn. Die Dame war
kaum noch vernehmungsfähig.
Tim und Gaby bemühten sich,
aber außer unscharfem Gebrabbel kam nichts heraus, und so würde es wohl
nützlicher sein, abermals die Behausung zu filzen. Madame brachte den
Schlüssel. Es war der zu ihrem Keller, wie sich dann erwies. Aber schon beim
zweiten Versuch erhielt Tim den richtigen Türöffner. Und das Pärchen begab sich
in Reinbolds vier Wände, während die Nachbarin zum Wein zurückkehrte.
Gaby hatte Licht gemacht in
beiden Räumen, in der Winzig-Küche und dem cremefarben gekachelten Bad. „Wonach
suchen wir, Tim?“
„Nach allem, was verdächtig
erscheint.“
„Aha. Und was erscheint
verdächtig?“
„Rechnungen und Quittungen über
Rauschgift-Lieferungen“, er grinste. „Verträge mit der Mafia. Rezepte für
Giftanschläge. Pläne für Terror-Aktionen.“
„Du scheinst sehr optimistisch
zu sein“, lachte Gaby, „wenn du glaubst, dass so was hier rumliegt.“
„Bin ich leider nicht. Aber
wenn es um den Mistkerl geht, der auf deinen Vater geschossen hat, lassen wir
nichts unversucht.“
Sie stöberten. Anfangs legte
Tim alles, was er in die Hand nahm, ordentlich an seinen Platz zurück. Aber
dann erschien ihm das wie Zeitverschwendung, und bald häufte sich ein
Kraut-und-Rüben-Salat auf Tisch, Sesseln und Couch: Schriftstücke, Bücher,
Wäsche, Krimskrams, Reiseandenken aus Ländern rund ums Mittelmeer.
„Fällt dir was auf, Gaby?
Nirgendwo sind Fotos, nirgendwo Briefe. Sein Privatleben findet offenbar
woanders statt oder er hat keins. Außerdem gibt’s keinen Hinweis auf Beruf oder
Lebensunterhalt.“
„Stimmt.“ Gaby pustete gegen
ihren Goldpony. „Die Einrichtung ist zwar luxuriös und schweineteuer — trotzdem
habe ich den Eindruck, dass Reinbold hier nicht wirklich zu Hause ist. Es
riecht förmlich nach Zweitwohnung, nach Feriensitz oder gar Drittwohnung.
Vielleicht ist das hier ein Schlupfwinkel — und den benutzt er, wenn ihm in
Deutschland der Boden unter den Füßen zu heiß wird.“
„Gute Erklärung, Pfote.“
In diesem Moment klingelte das
Telefon.
Tims erster Gedanke war: Das
ist Godard. Aber diese Annahme konnte nur auf schlechtem Gewissen beruhen, denn
für den Kommissar bestand null Grund — logo! — hier anzuläuten.
„Soll ich abnehmen?“
Unwillkürlich
Weitere Kostenlose Bücher