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Klassentreffen (German Edition)

Klassentreffen (German Edition)

Titel: Klassentreffen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Schöning
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anzuziehen. Sie musste weg hier, ordnen, was passiert war, einen klaren Gedanken fassen.
    »Franzi, was ist denn los mit dir? Geht es dir nicht gut?«
    »Schon in Ordnung«, entgegnete Franzi. »Ich . . .« Sie biss sich auf die Unterlippe. »Tut mir leid, was passiert ist. Ich gehe besser.«
    Meikes Finger verschränkten sich ineinander. »Was ist denn passiert?«
    »Weißt du das nicht mehr?«
    »Ehrlich gesagt nicht.« Meike stand auf, warf sich ihren Bademantel über. »Irgendwie . . .« Sie stockte. »Wir haben uns geküsst, oder?«
    »Ja«, sagte Franzi. »Ich glaube.« Geküsst hatten sie sich bestimmt.
    »Ein Kuss bedeutet doch nichts«, fuhr Meike fort. Sie ging in die Küche. Franzi konnte hören, wie sie Kaffee aufsetzte.
    Konnte Meike das ernst meinen? Hatten sie sich tatsächlich nur geküsst? Und hatte ein Kuss wirklich nichts zu bedeuten? Sie folgte Meike in die Küche. Dass für Meike ein Kuss nicht dieselbe Bedeutung hatte wie für sie selbst, hatte Franzi ja schon einmal erfahren müssen. Sie setzte sich auf einen der Küchenstühle. »Du meinst, mehr war nicht?«
    Meike hob eine Augenbraue. »Was sollte denn sonst noch gewesen sein?« Sie zog das Band ihres Bademantels enger. Dann setzte sie sich Franzi gegenüber.
    »Ja . . . hm . . . vielleicht hast du recht.« Franzi lauschte dem Plätschern der Kaffeemaschine. Vielleicht stimmte es, was Meike sagte, und sie hatten nicht miteinander geschlafen. Vielleicht war es wirklich nur ein Kuss gewesen. Erneut sah Franzi Isabels Gesicht vor sich. Sie spürte eine gewisse Erleichterung. Aber sagte Meike die Wahrheit?
    »Möchtest du noch mit frühstücken?«, durchbrach Meike Franzis Gedanken.
    »Nein. Ich gehe. Ich . . .« Franzi unterbrach sich, schüttelte den Kopf und stand auf.
    »Franzi . . .« Meike sah sie an. »Es war ein schöner Abend gestern.«
    »Also, bis dann«, murmelte Franzi.
    Meike saß regungslos am Tisch. »Sehen wir uns wieder?«, fragte sie flüsternd. »Ich möchte dich als Freundin nicht noch einmal verlieren.«
    Franzi blickte zu Boden. »Ich dich auch nicht.« Sie zupfte an ihrem Ohrläppchen. »Ich ruf dich an.«
    Wenig später fiel die Tür hinter ihr ins Schloss.

~*~*~*~
    F ranzi hatte keine Ahnung, wie oft sie in den letzten beiden Jahren hier gewesen war. Gewöhnt hatte sie sich an den Anblick nie. Jedes Mal erschauderte sie aufs Neue, wenn sie den vertrauten Namen auf dem Grabstein las.
    Es war ein grauer Herbsttag, dunkle Wolken hingen tief am Himmel und ließen den kommenden Regen erahnen. Franzi vergrub die Hände tiefer in ihren Jackentaschen. Es war schrecklich kalt.
    Mit brennenden Augen sah sie hinab auf Isabels Grab. Die Bäume rauschten im eisigen Wind. Es schien vorwurfsvoll zu klingen. Was hatte sie nur getan?
    Der Friedhof war menschenleer, nicht einmal ein Hund oder ein Eichhörnchen war zu sehen. Franzi war allein. »Ach, Isabel«, murmelte sie. Sie kniete sich hin und legte die Rose, die sie mitgebracht hatte, auf das Grab.
    Neun Jahre lang waren sie so glücklich gewesen. Franzi konnte sich noch genau daran erinnern, wie sie Isabel damals zum ersten Mal in dem kleinen Buchladen gesehen hatte. Es hatte sofort gefunkt zwischen ihnen. Was folgte, waren wundervolle Jahre, in denen sie sich jeden Tag aufs Neue in Isabel verliebt hatte. Natürlich hatte es auch schwierige Zeiten gegeben, aber gemeinsam hatten sie alles durchgestanden. Die Schwierigkeiten hatten sie nur enger zusammenwachsen lassen.
    »Wie konntest du mich einfach so verlassen?«, flüsterte Franzi. »Ich hatte dir noch so viel zu sagen. Wir hatten doch noch so viel vor. Das kann doch nicht einfach vorbei sein. Was bin ich denn ohne dich? Ich fühle mich so unendlich leer.«
    Es begann zu regnen. Dicke Tropfen rannen Franzis Gesicht hinunter, kühlten ihre Haut ab. In wenigen Sekunden war sie von oben bis unten durchnässt. Aber sie merkte es kaum.
    »Du fehlst mir so sehr. Manchmal glaube ich, es wird niemals aufhören. Diese Leere wird niemals enden . . . Die Zeit, die ich mit dir verbringen durfte, war die schönste Zeit meines Lebens. Aber ich weiß einfach nicht, wie ich jetzt weitermachen soll, ohne dich.«
    Sie schluckte, um den Kloß aus ihrem Hals zu vertreiben. Es war das erste Mal seit sehr langer Zeit, dass ihr nach Weinen zumute war. Isabels plötzlicher Tod hatte ihr alle Energien geraubt, nicht nur den Lebensmut, sondern überhaupt die Fähigkeit zu fühlen. Etwas in ihr war mit Isabel gestorben.
    Das erste Mal,

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