Klassentreffen (German Edition)
stand, wischte sie ihre feuchten Hände an ihrer Hose ab. Sollte sie wirklich . . .? Was sollte sie Franzi sagen? Mit weichen Knien trat sie schließlich ein.
Sofort fiel ihr Blick auf Franzi, die hinter der Verkaufstheke stand und gerade dabei war, einer älteren Dame Medikamentenschachteln in eine Tüte zu packen. Das Läuten der Türglocke hatte Meikes Ankunft angekündigt, aber niemand schien Notiz von ihr zu nehmen.
In ihrem weißen Kittel sah Franzi sehr professionell aus. Sie lächelte der Dame freundlich zu, als sie ihr die Tüte überreichte. Meikes Herz klopfte schneller.
Die Frau bedankte sich bei Franzi und verließ die Apotheke.
Nun war Meike an der Reihe. Sie machte einen Schritt nach vorn. Noch einmal holte sie tief Luft.
»Guten Tag. Wie kann ich Ihnen . . .« Mitten im Satz brach Franzi ab und starrte sie an. »Meike«, flüsterte sie. Sie zupfte an ihren kurzen Haaren.
»Hallo, Franzi«, begrüßte Meike sie.
»Das ist aber eine Überraschung. Was machst du denn hier?«
»Ach . . .« Meike fasste sich mit der Hand an den Hals. »Ich habe da . . . so ein Kratzen . . . im Hals. Ich dachte . . .«, stammelte sie. »Die Apotheke liegt ja ganz in der Nähe der Schule, und ich . . . Hast du irgendetwas gegen Halsschmerzen?« Im selben Moment hätte sie sich am liebsten selbst geohrfeigt. Warum war sie so feige? Warum konnte sie Franzi nicht die Wahrheit sagen? Ihr sagen, dass sie sie wiedersehen wollte? Noch einmal mit ihr reden musste?
»Natürlich.« Franzi griff nach einer Schachtel, die hinter ihr im Regal stand. »Hier, die sind gut.« Sie legte die gelbe Packung auf die Theke. »Damit wird es dir schnell besser gehen.«
Meike senkte den Blick auf die Theke. »Danke«, murmelte sie.
Franzi tippte den Preis in ihre Kasse und verstaute die Halsschmerztabletten zusammen mit einer Packung Taschentücher in einer Tüte. »Das macht dann fünf Euro vierzig.«
Meike kramte das Geld aus ihrem Portemonnaie und gab es Franzi.
»Meike . . .« Franzi zögerte einen Moment. »Es tut mir leid, dass ich am Samstag so plötzlich abgehauen bin.« Sie faltete die Hände. »Es war wirklich ein schöner Abend.«
Meike nickte. »Das fand ich auch.«
»Hast du vielleicht Lust, morgen mit mir einen Kaffee trinken zu gehen? Ich würde dir gern noch etwas erklären.« Franzi suchte Meikes Blick. »Vielleicht verstehst du mich dann besser.«
Wieder beschleunigte sich Meikes Herzschlag. »Sehr gern.« Tiefe Erleichterung stieg in ihr hoch. Hätte Franzi nicht den ersten Schritt gemacht, hätte sie sich wahrscheinlich niemals getraut.
»Also, natürlich nur, wenn es dir bis dahin nicht schlechter gehen sollte.« Franzi zwinkerte Meike zu.
Das Blut schoss Meike ins Gesicht. War ihre Ausrede so durchschaubar gewesen? »Bestimmt nicht.«
Franzi nahm einen kleinen Zettel und schrieb ein paar Zahlen darauf. »Nur für alle Fälle. Meine Handynummer.« Einen winzigen Augenblick berührten sich ihre Fingerspitzen, als Franzi Meike den Zettel reichte.
»Danke.« Meike steckte ihn in ihre Hosentasche.
»Dann um vier im Café Am Markt?«, fragte Franzi. »Schaffst du das so früh?«
»Auf jeden Fall. Ich freue mich.« Meike lächelte Franzi an. »Bis morgen«, verabschiedete sie sich.
»Vergiss deine Halsschmerztabletten nicht.« Franzi wedelte mit der Tüte in Meikes Richtung.
Mit erhitzten Wangen nahm Meike das Medikament entgegen, bevor sie sich auf den Heimweg machte.
~*~*~*~
F ranzi sah sich in dem kleinen Café um. Entgegen ihrer sonstigen Art war sie einige Minuten zu früh. Von Meike war noch nichts zu sehen.
Franzi hatte den Feierabend kaum abwarten können. Den ganzen Vormittag über hatte sie immer wieder verstohlene Blicke auf die Uhr geworfen, nur um jedes Mal festzustellen, dass doch erst wenige Minuten vergangen waren. Schon lange hatte sich Franzi nicht mehr so auf etwas gefreut. Aber genau genommen hatte es auch schon lange nichts mehr gegeben, das für solche Vorfreude hätte sorgen können. Nach Isabels Tod war sie fast allen Verabredungen aus dem Weg gegangen.
Franzi entschied sich für einen Tisch neben dem Fenster, von dem man den Goslarer Marktplatz gut beobachten konnte. Sie war froh, dass Meike gestern bei ihr vorbeigekommen war. Wer weiß, ob sie sich sonst wiedergesehen hätten.
Kurz darauf kam eine Kellnerin auf Franzi zu. »Darf ich Ihnen schon etwas bringen?«, fragte sie.
»Nein, danke. Ich warte noch.« Franzis Finger trommelten auf die Tischplatte,
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