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Kleine Freie Männer

Kleine Freie Männer

Titel: Kleine Freie Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Mann. »Und da lagen diese Dinger, wir haben sie für Steine gehalten und gedacht, dass das Federvieh deshalb so gluckte …«
    »Gluckte«, sagte der zweite Mann und nickte nach-
    drücklich.
    »Ja, und wir hatten Mitleid mit dem armen Ding und …«
    »Legt … die … Eier … zurück «,sagte Tiffany langsam.
    Der kleine Mann, der nur wenig gesprochen hatte, stieß den anderen an. »Wir sollten besser tun, wasse sagt. Pech gehabt. Eine Weh sollte man besser nicht verärgern, und diese ist 'ne Hexe. Sie hat Jenny verdroschen, und das hat 71
    noch niemand getan.«
    »Ja, daran hab ich nicht gedacht …«
    Beide kleine Männer legten die Eier vorsichtig zurück.
    Einer von ihnen hauchte an die Schale seines Eis und rieb es mit dem fransigen Saum seines Kilts.
    »Es ist nichts Schlimmes passiert, Teuerste«, sagte er und sah den anderen Mann an. Und dann verschwanden
    sie. Aber es lag der Hauch eines roten Schemens in der Luft, und an der Tür des Hühnerstalls wirbelte ein wenig Stroh auf.
    »Und ich bin keine Teuerste!«, rief Tiffany. Sie setzte die Henne auf ihre Eier zurück und ging zur Tür. »Seid ihr Feen oder Elfen oder so? Und was ist mit unserem
    Schaf?«, fügte sie hinzu.
    Beim Haus hörte sie nur Eimer klappern, was bedeutete, dass andere Mitglieder der Familie aufgestanden waren.
    Tiffany holte das Märchenbuch, pustete die Kerze aus
    und kehrte ins Haus zurück. Ihre Mutter zündete das Feuer an und fragte, warum sie schon auf den Beinen war.
    Sie antwortete, sie hätte etwas im Hühnerstall gehört und nach dem Rechten gesehen. Das war keine Lüge. Es
    entsprach vollkommen der Wahrheit; allerdings fehlte in der Wahrheit etwas.
    Im Großen und Ganzen war Tiffany eine wahrheits-
    liebende Person, aber sie fand, dass sich die Dinge
    manchmal nicht leicht in »wahr« und »falsch« aufteilen ließen. Stattdessen gab es »Dinge, die andere Leute sofort erfahren mussten« und »Dinge, von denen andere Leute
    derzeit nichts zu wissen brauchten«.
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    Außerdem war sie gar nicht sicher, was sie derzeit wusste.
    Es gab Haferbrei zum Frühstück. Tiffany aß in aller Eile, denn sie wollte schnell zur Koppel, um nach dem Widder zu sehen. Vielleicht gab es Spuren im Gras…
    Sie sah auf, ohne den Grund dafür zu wissen.
    Rattenbeutel hatte vor dem Backofen geschlafen. Jetzt
    richtete er sich wachsam auf. Tiffany fühlte ein Prickeln im Nacken und versuchte zu erkennen, was die Aufmerksamkeit des Katers geweckt hatte.
    Auf der Anrichte standen einige blaue und weiße Töpfe, die zu nichts nütze waren. Eine ältere Tante hatte sie Tiffanys Mutter hinterlassen, die stolz auf sie war, weil sie hübsch aussahen und zu nichts taugten. Auf einer Farm gab es nur wenige Dinge, die hübsch und nutzlos waren,
    deshalb hielt Tiffanys Mutter sie in Ehren.
    Rattenbeutel beobachtete, wie sich von einem der Töpfe der Deckel hob. Ganz langsam stieg er auf, und darunter kamen rotes Haar und zwei starrende Knopfaugen zum
    Vorschein.
    Der Deckel sank wieder nach unten, als Tiffany einen
    strengen Blick darauf richtete. Einen Moment später hörte sie ein leises Klappern, und als sie erneut aufsah, wackelte der Topf, und eine Staubwolke stieg von der Anrichte auf.
    Rattenbeutel sah sich verwundert um.
    Eins stand fest: Die kleinen Männer waren sehr schnell.
    Tiffany lief zur Koppel und hielt Ausschau. Der Dunst
    hatte sich inzwischen gehoben, und die Rufe von Lerchen erklangen.
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    »Wenn der Widder nicht sofort zurückkehrt, gibt es eine Abrechnung! « , rief sie zum Himmel.
    Ihre Worte hallten von den Hügeln wider. Und dann
    hörte Tiffany, leise und ganz nah, kleine Stimmen:
    »Was hat die Hexe gesagt?«, fragte die erste Stimme.
    »Sie hat mit 'ner Abrechnung gedroht!«
    »Oh, schlimm, schlimm, schlimm! Jetzt stecken wir im
    Schlamassel!«
    Tiffany sah sich um, roten Ärger im Gesicht.
    »Wir haben eine Pflicht «,teilte sie der Luft und dem Gras mit.
    Das hatte Oma Weh einmal gesagt, als Tiffany wegen
    eines Lamms traurig gewesen war. Sie hatte sich oft auf eine sehr altmodische Weise ausgedrückt und gesagt: »Wir sind wie Götter für die Tiere der Weiden, meine Jiggit. Wir befinden über die Zeit ihrer Geburt und die Zeit ihres Todes. Zwischen diesen Zeiten haben wir eine Pflicht.«
    »Wir haben eine Pflicht«, wiederholte Tiffany etwas
    sanfter und sah sich um. »Ich weiß, dass ihr mich hören könnt, wer auch immer ihr seid. Wenn das Schaf nicht
    zurückkehrt, gibt es … Schwierigkeiten …«
    Die Lerchen sangen

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