Kleine freie Männer
wünschte, ich könnte meinen Bruder finden«, sagte sie laut.
Das schien keine Wirkung zu haben. Doch das Haus war voller Leute, die Türen öffneten und schlossen, riefen, sich gegenseitig in den Weg gerieten, und die Wir-sind-die-Größten waren scheu, obgleich viele von ihnen Gesichter hatten, die aussahen wie ein Hut voller Knöchel.
Fräulein Tick hatte davon gesprochen, dass man sich nichts wünschen, sondern Dinge tun sollte.
Tiffany ging nach unten. Selbst einige der Frauen, die bei der Schur Vliese gerollt hatten, waren zum Farmhaus gekommen. Sie umringten Tiffanys Mutter, die am Tisch saß und weinte. Niemand bemerkte Tiffany. Das geschah oft.
Sie schlich in die Molkerei, schloss sorgfältig die Tür, bückte sich und sah unter die Spüle.
Die Tür sprang auf, und ihr Vater platzte herein. Er blieb stehen. Tiffany richtete sich schuldbewusst auf.
»Er kann nicht unter der Spüle sein, Mädchen!«, sagte ihr Vater.
»Äh...«, erwiderte Tiffany.
»Hast du oben nachgesehen?«
»Sogar auf dem Dachboden...«
»Nun...« Tiffanys Vater wirkte sehr nervös und gleichzeitig ungeduldig. »Geh und... tu was!«
»Ja, Vater.«
Als sich die Tür wieder geschlossen hatte, blickte Tiffany erneut unter die Spüle.
»Bist du da, Kröte?«
»Hier unten gibt es kaum was zu holen«, antwortete die
Kröte und zeigte sich. »Du hältst alles sehr sauber. Ich habe nicht einmal eine Spinne gefunden.«
»Dies ist dringend!«, schnappte Tiffany. »Mein kleiner Bruder wird vermisst. Er ist verloren gegangen, am helllichten Tag! Oben auf dem Kreideland, wo man meilenweit sehen kann!«
»Oh, Schuak«, sagte die Kröte.
»Wie bitte?«, fragte Tiffany.
»Äh, das war ein Fluch auf Krötisch«, sagte die Kröte. »Entschuldige, aber...«
»Hat das alles was mit Magie zu tun?«, fragte Tiffany. »Das ist doch nicht der Fall, oder?«
»Ich hoffe nicht«, erwiderte die Kröte. »Aber ich fürchte, es hat tatsächlich etwas mit Magie zu tun.«
»Haben die kleinen Männer Willwoll entführt?«
»Wer, die Größten? Sie entführen keine Kinder.«
Der Tonfall der Kröte verriet etwas. Sie entführen keine Kinder...
»Weißt du, wer für das Verschwinden meines Bruders verantwortlich ist?«, fragte Tiffany.
»Nein. Aber vielleicht wissen es die Größten«, antwortete die Kröte. »Fräulein Tick hat mir gesagt, dass du nicht... «
»Jemand hat meinen Bruder entführt«, sagte Tiffany scharf. »Willst du mich etwa auffordern, die Hände in den Schoß zu legen?«
»Nein, aber...«
»Gut! Wo sind die Größten jetzt?«
»Ich nehme an, sie halten sich versteckt. Immerhin suchen die Leute überall. Aber...«
»Wie kann ich sie zurückholen? Ich brauche sie!«
»Äh, Fräulein Tick hat gesagt... « »Wie kann ich sie zurückholen?«
»Äh... du möchtest sie also zurückholen?«, fragte die Kröte kummervoll.
»Ja!«
»Das möchte normalerweise kaum jemand«, sagte die Kröte. »Die Wir-sind-die-Größten sind nicht wie Heinzelmännchen. Wenn man sie im Haus hat, ist es besser umzuziehen.« Sie seufzte. »Trinkt dein Vater?«
»Manchmal genehmigt er sich ein Bier«, sagte Tiffany. »Was hat das hiermit zu tun?«
»Nur Bier?«
»Nun, eigentlich sollte ich nichts von dem wissen, was mein Vater spezielles Schaf-Einreibemittel nennt«, sagte Tiffany. »Oma Weh stellte es früher im alten Kuhstall her.«
»Ist es stark?«
»Es löst Löffel auf«, sagte Tiffany. »Es ist für besondere Anlässe. Vater meint, es ist nichts für Frauen, weil man davon Haare auf der Brust bekommt.«
»Hol etwas davon, wenn du sichergehen möchtest, dass die Größten zurückkehren«, sagte die Kröte. »Es wird funktionieren, glaub mir .«
Fünf Minuten später war Tiffany bereit. Wenige Dinge bleiben einem stillen Kind mit guten Augen verborgen - sie wusste, wo die Flaschen standen, und jetzt hatte sie eine. Der Korken steckte tief drin, mit einem Stück Stoff verklemmt, aber er war alt, und Tiffany konnte ihn mit der Spitze eines Messers heraushebeln. Der Geruch trieb ihr Tränen in die Augen.
Sie schickte sich an, etwas von der gelbbraunen Flüssigkeit in eine Untertasse zu schütten...
»Nein!«, sagte die Kröte. »Wenn du das machst, werden wir zu Tode getrampelt. Lass die Flasche einfach nur offen.«
Dämpfe stiegen von der Flasche auf wie die Luft über Felsen an einem heißen Tag.
Tiffany fühlte, wie in dem düsteren, kühlen Zimmer Aufmerksamkeit erwachte.
Sie setzte sich auf einen Melkschemel und sagte: »Also gut,
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