Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters
Erinnerung und die Fürbitten durch Geistliche. Seit dem 11., aber vermehrt ab dem 13. Jahrhundert wurden auf Grabplatten Figuren der Toten dargestellt, seltener im Alter ihres Sterbens, wie bei Eleonore von Aquitanien († 1204), als in einem blühenden Alter um die 30, von dem man dachte, dass man so im Himmel auferstand.
Minne
Saget mir ieman, waz ist minne?
weiz ich des ein teil, sô west ichs gerne
mê.
Der sich baz denn ich versinne,
der berihte mich durch waz si tuot sô wê.
Minne ist minne, tuot si wol.
tuot si wê, sô enheizet si niht rehte
minne, sus enweiz ich wie si danne
heizen sol.
Ob ich rehte râten künne,
was diu minne sî, sô sprechet denne «jâ» :
Minne ist zweier herzen wünne;
teilent si gelîche, sô ist diu minne dâ
Sol si aber ungeteilet sîn,
sô enkan si ein herze aleine niht
enthalten.
Ôwê, woldest dû mir helfen, vrouwe
mîn!
Kann mir jemand sagen, was Minne
ist? Wenn ich auch einen Teil dessen
weiß, so wüsste ich gerne mehr. Wer
es besser als ich versteht, der möge
mir erklären, warum sie so weh tut.
Minne ist Minne, wenn sie wohl tut.
Wenn sie weh tut, so heißt sie nicht
richtige Minne. Wie sie dann heißen
soll, weiß ich nicht.
Wenn ich richtig raten könnte, was
die Minne ist, so sprecht dann «ja»:
Minne ist die Wonne zweier Herzen;
wenn sie gleich miteinander teilen, so
ist die Minne da. Wenn sie aber nicht
geteilt werden soll, so kann sie ein
Herz allein nicht fassen. O weh,
wolltest du mir helfen, meine
Herrin!
Walther L. 69, 1 und 8, Übersetzung
nach Reichert
Seit Walther von der Vogelweide († um 1230) haben sich zahllose Menschen gefragt, was denn Minne sei bzw. gewesen sei. Die Grundkonstellation ist scheinbar einfach und zeitlos: Ein Mann wirbt um eine Frau und ist dabei bereit, die seiner gesellschaftlichen Rolle entsprechenden Ideale zu verwirklichen. Im Mittelalter wurde eine Kunst daraus, die in der Geschichte wenig ihresgleichen findet. Diese Kunst gab der Dichtung Stoff, aber formte auch das höfische Leben.
Wundervolle Liebesgedichte gibt es auch aus der Antike, und die zumindest lateinischen kannte man im Mittelalter recht gut. Mit den mittelalterlichen volkssprachlichen Gedichten entstand aber ein neuer Diskurs. Ein Poet antwortete auf den anderen, versuchte ihn zu überbieten, und ein verständiges Publikum hatte seine Freude daran. Diese Gedichte wurden gesungen. Oft kennen wir die Melodien oder können sie erahnen. Da eine aktive Musikerziehung zur Ausbildung junger Adeliger gehörte (S. 191), dürfen wir uns auch auf diesem Feld ein kundiges Publikum vorstellen. Es bestand aus Kämpfern und ihren Frauen, deren Fähigkeiten in der Dichtung zur Tugend sublimiert wurden. Aus den Kriegern wurden Ritter, aus den Frauen Herrinnen des Hofes.
Ritter
Daher sei noch eine berühmte Frage gestellt, die Wolfram von Eschenbach Parzival in den Mund legt (126, 4):
Du nennest ritter: Was ist daz
? Die lange Geschichte, kurz erzählt, klingt fast wie ein Märchen. Sie ist aus Dichtungen abgelesen, die zwar die Realitätnicht direkt widerspiegeln, aber dem Selbstverständnis ihres Publikums entgegenkommen mussten. Was sich aus historiographischen Quellen und Urkunden entnehmen lässt, lautet etwas vereinfacht so:
Zur Abwehr feindlicher Reiterkrieger stiegen die Franken im Frühmittelalter aufs Pferd. Der Kampf zu Pferd in Formation erforderte ausgiebiges Training, und geeignete Tiere zu halten war teuer. So kam es zu einer Arbeitsteilung: Die einen blieben bei der Landarbeit und wurden Bauern (vgl. S. 221f.), die anderen sollten den Frieden sichern, nach außen im Krieg und nach innen bei Gericht.
Die Adeligen bekamen zu ihrer Versorgung von höhergestellten weltlichen und geistlichen Mächten Lehen, die meist aus Herrenhöfen und Bauernstellen bestanden; auch Einkünfte aus Zoll- und Mautrechten konnten verliehen werden. Solche Lehen minderten die Freiheit nicht, weil ja gerade der Waffendienst dafür erwartet wurde. Von den Abgaben der Bauern, dem Ertrag des Herrenhofes und weiteren Einnahmen, auch aus Eigenbesitz (Allod), bestritten die Adeligen Unterhalt und Ausrüstung für sich und ihre Leute. Die Belehnung erfolgte in einer feierlichen Zeremonie, bei der der Lehensmann dem Herrn in die Hand versprach, ihm mit Rat und Hilfe beizustehen. Die Verpflichtung zur Unterstützung galt auch umgekehrt, vom Herrn zum Lehensmann. Im Laufe des Mittelalters wurden die Lehen erblich. Dabei kommen die verschiedensten Formen des Erbrechts zum Tragen. Am
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