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Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters

Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters

Titel: Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Brunner
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häufigsten erbte entweder eine Person, zumeist ist es der älteste Sohn, oder der Besitz wurde unter die Erben geteilt. Das Erbe der Mütter ging nicht selten an die Töchter.
    Die öffentliche Anerkennung als Ritter aber erforderte zunächst Bewährung im Kriegs- und Hofdienst. Bewährte Männer, die längere Zeit als Knappe (das Wort kommt von «Knabe», lat.
puer)
gedient hatten, wurden zeremoniell von einem hohen Adeligen, einem Fürsten oder König, in den Ritterstand aufgenommen, durch Ritterweihe und Ritterschlag.
    Die Grundform einer Ritterweihe ist z.B. im Eneas-Roman Heinrichs von Veldeke († vor 1200) beschrieben (171–174): Ein König will seinem Sohn im Rahmen der Vorbereitung für einen Feldzug
geben swert,
das Schwert geben, d.h. in diesem Fall, das Rittertum verleihen. Er lässt verkünden,
daz sîn sun Pallas, der im vile lieb was, gewâfen nehmen solde,
dass sein Sohn Pallas, den er sehr liebte, die Waffen nehmen sollte, um
ritterschaft
zu tun. Dazu lädt er ein,
swer ritter werden wolde,
alle die Ritter werden wollten, zu Hof zu kommen, um von ihm
ros, gewant unde schat
(Schatz) zu bekommen.
    Die Ritterweihe wurde mit einer kirchlichen Feier verknüpft, meist mit Nachtwache und Gebet. Darauf folgte ein Fest, oder die Ritterweihe war, wie in Mainz 1184 (S. 193), ihrerseits Bestandteil einer festlichen Inszenierung. Folgende Elemente kommen also zusammen: einer oder mehrere hochstehende ältere Akteure, darunter auch höherer Klerus, die den formellen Akt vollziehen und bezeugen, eine Gruppe von jungen Männern, die ausgezeichnet wird, und eine möglichst distinguierte Öffentlichkeit.
    Der viel berufene und dargestellte Ritterschlag ist dabei wie der Backenstreich bei der Firmung die am wenigsten bedeutsame, aber vielleicht die am ehesten von weitem sichtbare Zeremonie. Das Anschnallen des Waffengürtels ist demgegenüber wichtiger. Durch die Verleihung der ritterlichen Waffen werden alle Beteiligten miteinander in einer Art Gefolgschaft verbunden, die, wenigstens offiziell, einem christlich bestimmten Ethos verpflichtet war.
    Rittertum und Minnedienst haben auch mit Disziplinierung in einem großen adeligen Haushalt zu tun. Zu ihm gehörte eine größere Anzahl von jungen Männern und Frauen, die es bei der Stange zu halten galt. Die besten darunter würden die Gelegenheit bekommen, einen eigenen Hausstand zu gründen. Bis dahin wurden sie auf vielfältige Weise praktisch und rituell an den Herrn und die Dame gebunden. Mit deren Erlaubnis konnten die jüngeren Leute fallweise besondere Bindungen eingehen. So konnte z.B. einjunges Fräulein einem jungen Mann eine symbolische Gabe spenden, etwa ein Tüchlein, das er dann ihr zu Ehren sichtbar in Turnier und Kampf trug.
Dichter
    In dieses Spiel tritt nun der Dichter, selten eine Dichterin. Aber neben dem
trobador
in Südfrankreich, wo diese mittelalterliche Liebeslyrik ihre Wurzeln hat, gibt es auch einige
trobairitz,
im Norden auch Skaldinnen. Aus dem deutschen Sprachraum kennen wir dagegen keine Minnedichterin.
    Dichter konnten verschiedener Herkunft sein, Fürst wie Wilhelm IX. von Aquitanien († 1126), ja Kaiser, wie der Staufer Heinrich VI. (†1197), Bischof oder einfacher Kleriker, ab dem 13. Jahrhundert auch bürgerlichen Standes; aber die meisten waren wohl kleine Adelige. Sie mussten in jedem Fall Bildung haben: Die Texte sind aufwändig gebaut, die Dichter beziehen sich aufeinander, d.h., man musste die Lieder der anderen kennen, und es war sehr oft der Dichter selbst, der auch die Melodie für seine Lieder geschaffen oder wenigstens ausgewählt hat.
    Ebenso vielfältig wie die Herkunft der Dichter war ihre Motivation: Vom höfischen Hobby bis zur Bettelei um Lohn gab es alle Spielarten. Der Lohn konnte aus Geld bestehen, der Finanzierung des Aufenthalts – besonders über den Winter begehrt – bis zur Schenkung eines kleinen Gutes, auf dem man sich notfalls zur Ruhe setzen konnte. Berühmt sind die Zeilen Walthers von der Vogelweide:
Ich hân mîn lêhen, al die welt,
ich hân mîn lêhen!
Nû enfürhte ich niht
den hornunc an die zêhen,
und wil alle bœse hêrren
deste minre vlêhen.
Der edel künec, der milte künec
hât mich berâten …
Ich habe mein Lehen, alle Welt,
ich habe mein Lehen.
Nun fürchte ich nicht mehr
den Februar an den Zehen
und werde alle schlechten Herren
umso weniger anbetteln.
Der edle König, der freigiebige König
hat für mich gesorgt …
    Walther L 28, 31, um 1220, Übersetzung
nach Reichert
    Vom

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