Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters
die Löhne für Hilfskräfte, von denen ja viele zu den Opfern zählten, und die Kosten für Arbeitsgeräte stiegen.
Abb. 2: Bevölkerungsentwicklung in Deutschland (in Mio.), geschätzt
Erbe, Heirat, Alter und Tod
Der Tod war immer in der Nähe: auf der Reise durch Räuber oder politische Gegner – was manchmal dasselbe war –, am Hoftag durch verdorbenes Essen, beim Turnier durch einen Unfall und schon gar im Krieg, wo sich die Gegner keineswegs immer an den angeblich schützenden ritterlichen Ehrenkodex hielten. Schon eine verhältnismäßig unbedeutende Wunde konnte durch Sepsis (Blutvergiftung) zum Tode führen. Glaubt man den zahlreichen Schilderungen der Kämpfe in den Dichtungen, erlitten die «Helden» ständig Erschütterungen durch Stürze vom Pferd und Schläge auf den Helm. Ob und wie sie das ohne bleibenden Schaden ausgehalten haben, bleibt fraglich.
Gab es beim Tode eines Familienoberhaupts keine Erben oder waren diese noch zu jung, sollte die Witwe relativ rasch einen neuen Ehepartner suchen, denn «eine Frau weiß keinen Schild zu tragen, noch weiß sie mit der Lanze umzugehen» (Chréstien, Yvain 2096f., vgl. S. 75).
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kann nur ein Mann bewahren(Hartmann, Iwein 1824f., vgl. S. 71). Einige Herrscherinnen konnten noch eine Zeit lang als Vormünder ihrer Söhne regieren. Ähnliches galt für Handwerkerinnen oder Bäuerinnen, die sich um den Betrieb bzw. den Hof kümmerten.
Erben konnte, wenn die Gefolgschaft und der Familienclan dahinterstanden, auch die Tochter; das galt auch ohne spezielles Privileg wie in dem «Privilegium Minus» von 1156, mit dem die österreichische Mark Herzogtum wurde und das für seine Fürsten einige Vorrechte enthielt. Die englischen Könige z.B. kümmerten sich sorgsam um Witwen und Erbtöchter und behielten sie gerne am Hof, um aus gezielter Verheiratung politisches und finanzielles Kapital zu schlagen.
Söhne und Töchter wurden nach politischen und gesellschaftlichen Gesichtspunkten verheiratet. Jüngere Söhne wurden ganz verschieden «abgeschichtet», d.h., sie erhielten für ihr Auskommen mehr oder weniger Mittel, aber keinen Anteil an der Herrschaft. Nicht selten wurde einer von ihnen für ein geistliches Amt vorbereitet. Eine Tochter konnte auch mit dem «himmlischen Bräutigam» verheiratet werden, also ins Kloster gehen. Söhnen standen außerdem Laufbahnen in der Weltkirche zur Verfügung.
Bis zum 12. Jahrhundert wurde der Ehefrau vom Mann eine «Dos» überschrieben, die bis zu einem Drittel seines Vermögens betragen konnte, was ihr ein Mitspracherecht bei wichtigen ökonomischen Entscheidungen brachte und eine eventuelle Witwenschaft absicherte. Später wurde in der Regel ein «Wittum», eine Versorgungsleistung, vereinbart, aber die junge Frau hatte eine Mitgift mitzubringen – übrigens auch beim Eintritt ins Kloster –, was es unter Umständen recht teuer machte, allzu viele Töchter zu haben. Die Morgengabe war ein symbolisches Geschenk für die Braut – oft ein Schmuckstück – nach der Hochzeitsnacht.
Das Alter war nicht schön, und es begann früh. Ab 30 Jahren konnten sich die ersten körperlichen Abnützungserscheinungen einstellen. Mitglieder der Oberschicht konnten sich zur Altersversorgungin ein Kloster einkaufen. Ab dem Zweiten Mittelalter wurden Spitäler eingerichtet, wo man im Alter je nach eingebrachtem Vermögen mehr oder weniger gut versorgt wurde (S. 159f.). Wer aber von so zäher Natur war, die Fährnisse dieses Lebens zu überstehen, konnte durchaus alt werden. Eleonore von Aquitanien († 1204), die Frau zweier Könige, galt mit 60 Jahren noch als äußerst attraktiv.
Abb. 3: Älteste erhaltene Bronzegrabplatte Mitteleuropas: Gegenkönig Rudolf von Rheinfelden
Ein plötzlicher Tod ohne Empfang der Sakramente wurde als Strafe Gottes angesehen. Im Idealfall war auch das Sterben einöffentlicher Akt im Kreise der Familie bzw. der Mitbrüder oder -schwestern im Kloster. Die Sterbenden ordneten ihre Verhältnisse, bei Heiligen wird von letzten Visionen berichtet. Das Begräbnis war eine Gelegenheit, bei der sich die Mitglieder des gesamten familiären und politischen Netzwerks noch einmal öffentlich präsentierten.
Der Ort der Grablege war normalerweise durch die Pfarrzugehörigkeit festgelegt. Menschen, die es sich leisten konnten, richteten sich eigene Begräbnisstätten an Kirchen oder bei Klöstern ein. Gründer von Kirchen oder Kapellen konnten dort bestattet werden. Sie hofften auf die Pflege der
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