Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters
Aaron, Das Weltbild des mittelalterlichen Menschen (München 5 1997, zuerst erschienen 1978) und
– G UREVIč Aaron, Mittelalterliche Volkskultur (München 2 1992, zuerst erschienen 1987).
Der russische Gelehrte stand in enger Verbindung mit den französischen Vertretern der Annales-Schule, was ihn als Dissidenten und Juden einigermaßen vor Verfolgung schützte. Diese Gruppe, benannt nach ihrerZeitschrift, den «Annales», steht am Anfang der Sozialgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg. Sehr beeindruckend ist, dass Gurevič die gegenüber unserem Empfinden ganz anderen Vorstellungen von Raum und Zeit im Mittelalter herausgearbeitet hat. Die «Volkskultur» hätte eigentlich «Volksreligion» heißen sollen, aber das ging nicht in einer Zeit, in der solche Übersetzungen zuerst in einem DDR-Verlag erscheinen mussten.
Aus der Fülle der aus der Annales-Schule hervorgegangenen Werke möchte ich hier die Aufmerksamkeit lenken auf:
– D UBY Georges, Guillaume le Maréchal oder der beste aller Ritter (Suhrkamp-Tb 2802, Frankfurt 1997).
Hier wird anhand einer Biographie aus der Zeit um 1200 ein sehr lebendiges Bild von der ritterlichen Lebenswelt gezeichnet.
– L E G OFF Jacques, Für ein anderes Mittelalter. Zeit, Arbeit und Kultur im Europa des 5.-15. Jahrhunderts (Weingarten 1987).
Er hat mit vielen seiner Werke die europäische Mediävistik geprägt, was man mit Hilfe dieses Werkes vielleicht am besten spüren kann. Eine Spezialstudie, die berühmt geworden ist, war
– L E R OY L ADURIE Emmanuel, Montaillou. Ein Dorf vor dem Inquisitor 1294–1324 (Frankfurt 1980).
Aus Protokollen von Verhören angeblicher und wirklicher Ketzer aus dem Jahr 1320 wird ein sehr anschauliches Bild vom Leben im Süden Frankreichs gezeichnet.
Große Verdienste um die Kenntnis der modernen französischen Forschung in Wien und im weiteren deutschen Sprachraum hatte Michael Mitterauer, dessen letztes Buch
– M ITTERAUER Michael, Warum Europa. Mittelalterliche Grundlagen eines Sonderwegs (München 2003)
im globalen Vergleich den Wurzeln des europäischen Sonderwegs nachspürt. Eine davon entdeckt er im Anbau genügsamerer Getreidesorten wie Roggen und Hafer.
Doch nun wieder zu Büchern, die einen größeren Überblick geben. Ein Glücksfall war das Erscheinen der zu einem Buch ausgearbeiteten Vorlesungen des damals noch recht jungen Forschers
– G OETZ Hans-Werner, Leben im Mittelalter. Vom 7. bis zum 13. Jahrhundert (München 5 1994, zuerst erschienen 1986).
Das Werk ist heute noch unübertroffen. Dasselbe gilt für – B ORST Arno, Lebensformen im Mittelalter (Berlin 3 2002, zuerst 1973).
Sein Buch ist zugleich eine Einführung in die Quellen, die er ausführlich verwendet.
Für eine Periode, die lange Zeit als «dunkles Jahrhundert» galt, war das Buch von
– F ICHTENAU Heinrich, Lebensordnungen des 10. Jahrhunderts. Studien über Denkart und Existenz im einstigen Karolingerreich (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 30, Stuttgart 1984, = dtv Wissenschaft 4577, München 1992)
von größter Bedeutung, das längere Zeit ein Geheimtipp blieb, bis es endlich als Taschenbuch erschien.
Sein Zeitgenosse und Kollege Alphons L HOTSKY hat sich vorrangig mit österreichischen Themen befasst, aber seine alte Aufsatzsammlung (5 Bände, Wien 1970–1976) ist heute noch lesenswert.
Große interdisziplinäre Bedeutung hatten einige grundlegende Studien von Philologen. Da ist einmal zu nennen der Romanist
– Z UMTHOR Paul, Die Stimme und die Poesie in der mittelalterlichen Gesellschaft (Forschungen zur Geschichte der älteren deutschen Literatur 18, München 1994).
Bei ihm findet man Zugänge zum praktischen Vortrag und zum Publikum.
In der Germanistik hat zunächst
– B UMKE Joachim, Höfische Kultur (München 10 2002, zuerst 1986)
Grundlagenarbeit geleistet, indem er die Literatur in ihren sozialen Kontext stellte. Wir empfehlen dieses Buch auch Geschichtsstudenten. In seiner Tradition steht
– W ENZEL Horst, Hören und Sehen. Schrift und Bild. Kultur und Gedächtnis im Mittelalter (München 1995).
Dieses Werk eröffnet z.B. interdisziplinär die Wahrnehmungsräume, von denen auch im vorliegenden Band ausführlich die Rede ist.
Von historischer Seite gehört zu diesem Diskurs
– A LTHOFF Gerd, Spielregeln der Politik im Mittelalter. Kommunikation und Fehde (Darmstadt 1997).
Althoff stützt sich selbstverständlich vornehmlich auf historiographische Quellen. Auch andere seiner Werke sind
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