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Kleine Portionen

Kleine Portionen

Titel: Kleine Portionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moitzi
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Originalinstrumenten?« Sie spuckte das letzte Wort aus, als ob sie mir damit auf den Kopf schlagen wollte.
    »Na, dann haben ihre Instrumente aber wirklich einen beschissenen Sound.« Ich zuckte mit den Achseln. »Und was für eine lachhafte Idee! Sie haben ja auch nicht auf 300 Jahre alten Instrumenten gespielt, als Bach diesen Mist komponiert hat!«

Cam4
     
    Ich landete fast unabsichtlich auf der Website. Eine beiläufige Entscheidung brachte mich auf die Idee. Ich saß im Büro und langweilte mich. Das Arbeitsvolumen war gering und schaumgebremst. Meine Haupttätigkeiten: Zufallsklicks, Online-Nachrichten lesen, auf Twitter über meine Situation jammern. Dann schickte einer meiner Twitter-Bekannten den folgenden Tweet: »Ich habe beschlossen, ich bin heut Abend auf Cam4.«
    Ich verbiss mir ein Gähnen, der Tweet erinnerte mich ohne besonderen Grund an Channel 4 oder eine Schwulendisko oder sonst irgendwas. Und der Tag lag immer noch fad vor mir. Minuten fühlten sich wie Stunden an. Einer meiner Kollegen diskutierte via Handy mit seiner Frau über die Erziehung seines Sohnes. Ein anderer bedudelte sich über seinen iPod mit italienischer Musik. Ein dritter schaute sich Horrorfilm-Trailer an.
    Eine zweiter Tweet vom Cam4-Burschen. »Nur 9 Re-Tweets, ich denke, es interessiert niemanden, dass ich auf Cam4 bin.«
    Ich googelte Cam4. Klickte auf den Link.
    Überraschung. Cam4 hatte überhaupt nichts mit Channel 4 zu tun. Auch nicht mit einer Schwulendisko. Der Slogan der Website war: »Sehen Sie sich live Webcam-Shows von Mädchen, Männern, Paaren & Shemales an. Kostenlose Cams von Amateurexhibitionisten«. Kleine Fotos machten Werbung für die Leckereien, die man auswählen konnte. Eine stämmige Brünette aus Australien schwang ein Paar große Titten. Ein gut ausgestatteter, junger, behaarter Mann aus Deutschland. Ein Paar mittleren Alters aus den USA. Es gab etwas für jeden Geschmack, von knochenmager hin zu schwammig, von scharfen Mitzwanzigern hin zu weißhaarigen Senioren, allein, zu zweit, zu dritt und zahlreicher. Über den ungefähr 50 Fotos konnte man über Tabs die Wahl einengen. Männer. Frauen. Paare. Shemales. Orgien.
    Ich sah mich schnell im Büro um: Jeder schien mit seinen eigenen, privaten Angelegenheiten beschäftigt. Okay, dann mal auf ins Abenteuer, dachte ich und klickte auf »Männer«.
    Ein weiteres Fotoraster. Nicknames, Länder, Details wie »Männlich, hetero’ oder »Männlich, schwul« oder »Männlich, bi«. Einige Gesichter. Körperausschnitte. Hauptsächlich Schwänze, eingefroren inmitten deftiger Ein- oder Zwei-Hand-Aktion.
    Ich beschloss, mir das mal genauer anzusehen. Einige Minuten lang, Cam nach Cam, sah ich Typen, die sich’s ganz allein besorgten. Schweiß glänzte, steife Glieder wurden zur Schau gestellt, gestreichelt, gegen Handflächen geklatscht. Die Chat-Fenster auf der rechten Seite der Cams enthielten Ansporn in verschiedenen Sprachen und eine Menge von Spezialwünschen. Die Antworten der Kerle waren gelb hervorgehoben. Einer der Darsteller (»cazzomilano, männlich / hetero / Italien«) saß auf seinem Stuhl, die Cam zoomte auf seine nicht mehr ganz so weichen Weichteile, die in einer D & G-Boxershort steckten. Er streichelte seine wirklich sagenhafte Ausbuchtung, während er wiederholt nach Muschi oder »figa« verlangte.
    Ich machte einen Abstecher in die Abteilung »Paare«. Hier schien es weniger frenetisch zuzugehen. Ich sah mir ein französisches Pärchen an: ein stark behaarter nackter Mann mittleren Alters mit einem Bier-Bauch; eine eher junge Frau in Höschen, die überraschend schlaffe Brüste in die Kamera hielt. Sie sahen durchschnittlich aus, das Paar von nebenan. Ich fragte mich kurz, ob ich hier irgendwann über meine eigenen Nachbarn stolpern würde. Der bloße Gedanke brachte mich zum Kichern. Jedenfalls tat das französische Pärchen nicht viel. Die Frau blickte nicht einmal in die Cam (sah sie fern oder was?), streichelte ihre Brüste, als ob es eine Art Pflicht oder Schichtarbeit wäre; und der Kerl kümmerte sich um das Chat-Fenster, antwortete auf jedes »Fick sie schon!« oder »Steck ihr’n Finger rein« mit der Aufforderung nach »Tokens«. »Für 500 Tokens zieht sie ihr Höschen aus«, tippte er. Ich begriff, dass die Besucher offenbar Gutscheine (»Tokens«) kaufen und damit die Personen belohnen konnten, die sie sich anguckten. Mir ging ein Licht auf. Die Website und die meisten der Cams waren gratis. Aber wenn man ein Paar in Aktion

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